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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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hast du mich gehört? ›Wir hoffen, dass wir Samenspuren finden‹ Wir haben auch mehrere Zeugen, Mütter anderer Kinder, sehr glaubwürdig und sympathisch im Zeugenstand. Alle haben ihn an dem Tag, an dem sie verschwand, in der Nähe der Schule gesehen. Wenn es deinem Kum…«, er unterbrach sich und setzte noch einmal an. »Wenn es DeVriess nicht gelingt, die Zeugenaussage über das bisherige Strafregister vom Prozess auszuschließen, kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendeine Geschworenenjury im Land ihn nicht verurteilt. Aber andererseits kann ich mir auch nicht vorstellen, dass irgendein Anwalt im Land diesen Kerl aggressiv verteidigt. Da gibt es eindeutig vieles, was über meinen schwachen Verstand hinausgeht.«
    »Über meinen auch«, sagte ich und hoffte, ihn von seinem Zorn auf DeVriess abzulenken. »Ich kann nur bewundern, wie hart ihr gearbeitet habt, um sie zu finden und eine Anklage auf die Beine zu stellen. Ich bin mir sicher, ihre Familie ist euch auch sehr dankbar. Oder wird es sein, wenn sie irgendwann dazu in der Lage ist.«
    »Ja, das wird sie nachts wärmen.« Er seufzte. »Weißt du, Bill, manchmal verachte ich diese Welt und das Geschmeiß, das auf ihr herumwimmelt.«
    »Ich weiß. Es gibt viel Böses auf der Welt, so viel steht fest, und du hast mehr als deinen gerechten Anteil davon gesehen. Aber es gibt auch viel Gutes, vergiss das nicht.«
    »Das Gute scheint sich im Augenblick sehr zurückzuhalten. Meine Mutter wollte, dass ich Zahnarzt werde – ›Fast so renommiert wie Arzt‹, hat sie immer gesagt, ›und man muss bei weitem nicht so viele Überstunden machen.‹ Vielleicht hat Mama es am besten gewusst.«
    »Machst du Witze? Den ganzen Tag rumstehen und die Hände im Sabber anderer Leute haben? Abgesehen davon: Im Gegensatz zu den Gefühlen, die sie ihrem Zahnarzt entgegenbringen, bewundern viele Menschen Polizisten.«
    Er lachte – leise, aber immerhin. »Du hast recht, die Sache mit dem Sabber hat es dann auch entschieden. ›Spülen und ausspucken‹ zu sagen ist bei weitem nicht so toll, wie ›Keine Bewegung, du Arschloch‹ zu schreien – oder aufgedunsene oder verkohlte Leichen zu bergen. Apropos Leichen bergen, gab es in den letzten acht Stunden irgendwelche Neuigkeiten aus den Bergen?«
    Ich erzählte ihm von der nächtlichen Parade von Besuchern im Krankenzimmer des Sheriffs und von meiner vergeblichen Suche nach den Patronenhülsen. »Ich hatte gehofft, die Kriminalpolizei könnte die Patronenhülsen vergleichen. Ohne die Hülsen bleibt uns nur die Motorradspur, die Waylon gefunden hat. Wenn ich nach dem Wenigen gehe, was ich aus erster Hand mit Orbin erlebt habe, dann kann es da oben ganze Legionen von Menschen geben, die ihm den Tod gewünscht haben.«
    Ich erzählte Art, dass ich gegen zwölf losfahren würde, um Orbins Überreste – Miranda hatte die angekokelten, gebrochenen Knochen so gut es ging über Nacht gereinigt – zum Beerdigungsinstitut nach Jonesport zu bringen. Hatte er Lust, mitzukommen? Und hatte er jetzt, wo im Fall Stacy Beaman eine Verhaftung erfolgt war, auch Zeit?
    »Sicher«, sagte er. »Wir haben jedes Mal, wenn wir da rauf fahren, so viel Spaß, nicht von zehn Pferden würde ich mich davon abhalten lassen. Abgesehen davon habe ich ungefähr ein ganzes Jahr Überstunden. Kannst du beim Labor vorbeikommen und mich abholen?«
    Drei Stunden später fuhr ich vor dem Polizeirevier in Knoxville vor, und Art kam die Stufen heruntergesprungen und stieg in meinen Wagen. Er kam mir vor wie ein anderer Mensch; keine Spur mehr von dem verdrießlichen Alten, der mich am Morgen angerufen hatte. Und er hatte einen Gesichtsausdruck, den ich noch nie an ihm gesehen hatte: Aufregung, Schrecken, Amüsement, Abscheu, alles gut miteinander vermischt.
    »Du hast praktisch noch einen Sahneschnurrbart«, sagte ich. »Spuck’s aus. Was ist los?«
    »Ich habe gerade einen Anruf von Bob Gonzales erhalten«, sagte Art. »Er konnte dich weder zu Hause noch an der Uni erreichen, also hat er stattdessen mich angerufen.« Bob Gonzales hatte vor ungefähr zehn – nein, mittlerweile wohl eher vor rund fünfzehn – Jahren seinen Doktor bei mir gemacht. Inzwischen war er forensischer Anthropologe im Armed Forces Institute of Pathology in Washington, das sich eines der größten und besten DNA-Labore des Landes rühmte. Per Overnight-Kurier hatten Art und ich die Haar- und Follikel-Proben, die Art aus Tom Kitchings Kopfhaut »geborgen« hatte, dort hingeschickt, dazu

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