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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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erinnern.« Er wirkte begierig, mehr zu erfahren, doch ich war nicht zum Plaudern aufgelegt. »Es klang, als hätte Ihr Chef es eilig. Wir machen uns wohl besser auf den Weg, was?«
    »Klar.« Er drehte sich auf dem Absatz um, und ich folgte ihm hinaus zu dem Jeep Cherokee, der zwischen zwei der diagonalen Stahlträger stand, die die Haupttribünen des Stadions stützten. Ein einspuriger Teerstreifen führte um das Stadion herum, fädelte sich stellenweise zwischen den Reihen massiver Träger hindurch und verästelte sich zu kurzen, dunklen, geteerten Ausläufern, die zu Katakomben führten, in denen, wie ich mir vorstellte, wohl die Hohepriester der Religion des Southeastern Conference Football beigesetzt waren.
    Williams und ich sprachen eine Weile über die Tennessee Volunteers, doch ich wusste, dass er mir lieber andere Fragen gestellt hätte. Als wir schließlich auf die Interstate fuhren, konnte er nicht mehr an sich halten. »Ich wette, Sie hatten schon ’ne Menge interessanter Fälle, was, Doc?«
    »Nun, für mich sind alle Fälle interessant.«
    »Aber welcher war der interessanteste? Oder der ungewöhnlichste?«
    »Schwer zu sagen.« Ich überlegte eine Minute. »Einer der ungewöhnlichsten Fälle war vermutlich die Frau in Connecticut, die von ihrem Ehemann – übrigens einem Expolizisten – umgebracht, zerstückelt und dann im Hof vor dem Haus verbrannt wurde.«
    Er pfiff. »Klingt wie ein Fernsehkrimi – Wenn gute Polizisten böse werden. «
    »Ich bin mir nicht sicher, ob er je ein guter Polizist war; womöglich war er schon böse und wurde nur noch böser. An dem Fall waren mehrere Dinge seltsam. Zum einen haben wir nie herausgefunden, womit er sie zerteilt hat. Zum anderen ging er an dem Tag, an dem er sie einäscherte, zur Feuerwehr und holte sich die Genehmigung, ein offenes Feuer zu machen.«
    Er johlte, und dann sah er mich eine – in Anbetracht der Tatsache, dass er inzwischen hundertzwanzig Stundenkilometer fuhr – nervenaufreibend lange Weile an. »Eine Genehmigung? Wollen Sie mich verarschen, Doc?«
    »Nein, keineswegs, Deputy. Er wollte wohl bei der Ermordung und Zerstückelung seiner Frau keine wirklich wichtigen Gesetze übertreten.«
    Gnädig richtete Williams den Blick wieder auf die Straße und fragte in auffällig beiläufigem Tonfall: »Ist in unserem Fall irgendetwas Seltsames zu Tage getreten?«
    Ich antwortete nicht gleich, denn ich suchte nach den richtigen Worten, um es ihm schonend beizubringen. »Wissen Sie, Deputy, Sheriff Kitchings sagte, es sei wahrscheinlich ein sehr sensibler Fall, und er schien sich Sorgen zu machen, das Telefon könnte angezapft sein. Falls jemand Ihr Telefon überwacht, dann könnte er doch auch Ihre Wagen verwanzt haben.« Williams sah gleichzeitig verdutzt und misstrauisch aus, obwohl ich mir nicht sicher war, ob das Misstrauen mir galt oder jemand anderem. »Ich glaube, wir warten besser, bis wir irgendwo sind, wo der Sheriff es sicher findet zu reden.«
    »Gute Idee.« Er nickte lächelnd. Unter dem Lächeln jedoch sah ich seine Kiefermuskulatur arbeiten.
    Als wir die Interstate verlassen hatten und der Straße am Fluss folgten, fuhr er langsam und nahm die Kurven manierlich. Ich bedankte mich bei ihm, und diesmal war sein Lächeln echt.
    »Und wie sind Sie bei den Gesetzeshütern gelandet, Deputy?« Diese Frage stellte ich Beamten gerne, denn die Bandbreite der Antworten – bezüglich der Motivation und des Berufswegs – war nahezu unendlich und normalerweise faszinierend: eine Familientradition seit drei Generationen, ein Bruder, der ermordet worden war, eine Überdosis Dragnet- Wiederholungen im Fernsehen oder der ernsthafte Wunsch, die Welt zu einem besseren, sichereren Ort zu machen.
    Williams antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Erinnern Sie sich, dass ich Ihnen von meinem Großvater erzählt habe?« Ich nickte. Der Mann, der zu Unrecht ins Gefängnis gekommen, dann erschossen worden war und anschließend verbrannte. »So etwas sollte keinem aus unserer Familie je wieder passieren. Und die einzige Möglichkeit, dafür zu sorgen, ist die, der Typ mit der Dienstmarke und den Schlüsseln zu sein.« Es war nicht die edelmütigste Begründung, die ich je gehört hatte, doch hier in Cooke County leuchtete sie mir in ihrer Logik sofort ein.
    Wir hatten das kurvenreichste Stück der Straße erreicht, als Williams vom Gas ging und auf den rechten Seitenstreifen holperte. »Doc, es tut mir leid, aber ich muss mal halten, um zu

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