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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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Giebeldreieck erinnerten, und in die Steine eingelassen war ein verwittertes Holzschild mit der Aufschrift »Cave Springs Primitive Baptist Church«.
    Die Kirche passte zu dem Schild: Flusskiesel in Gelbbraun- und Brauntönen lagen tief in einer Grundmasse aus grau gesprenkeltem Mörtel. Das Gebäude schien eher durch eine geologische Verwerfung als durch Menschenhand erschaffen worden zu sein. Die Doppeltür in der Vorderseite war aus stabilem Holz, das mit dem Alter silbrig verblichen war; die schwarzen Scharniere, das Schloss und die Klinke waren aus geschmiedetem Eisen – die Hammerschläge waren auf der Oberfläche noch gut zu erkennen. An die Türen waren zwei metallene Autokennzeichen genagelt worden. »Jesus kommt, bist du bereit?«, stand auf dem einen, auf dem anderen war »Himmel oder Hölle – wo wirst du die Ewigkeit verbringen?« zu lesen.
    »Freundlicher Haufen«, bemerkte ich. Ich versuchte, die Tür zu öffnen, doch sie war von innen irgendwie verriegelt.
    »Sehet, ich stehe an der Tür und klopfe«, sagte Art mit ausdrucksloser Miene und posierte als Jesus. Er klopfte an das Holz. »Autsch! Sieht aus wie Eiche, fühlt sich an wie Eisenholz. Schauen wir mal, ob wir durchs Fenster etwas erkennen können.«
    Die Fenster waren spärlich – wenige, kleine und hohe Öffnungen –, was vermutlich die Versuchung minderte, die Bäume zu bewundern, statt auf die Predigt zu achten. Glücklicherweise konnte man an dem Mauerwerk hochklettern. Art und ich hievten uns ein Stück hinauf und linsten durch die schmutzigen Scheiben. Viel zu sehen gab es in der Kirche nicht: ein Dutzend Bänke ohne Rückenlehne, ein paar vereinzelte zerfledderte Gesangsbücher, ein arg lädiertes Klavier und ein windschiefes hölzernes Chorpult. »Jetzt verstehe ich auch, warum es ›Primitive‹ heißt«, sagte ich. Wir kletterten wieder herunter und gingen um das kleine Kirchengebäude herum.
    Ein breiter, gut ausgetretener Pfad führte längsseits der Kirche zum Fuß der Steilwand. Der Weg endete an einem natürlichen, etwa hüfttiefen Felsbecken, das mit klarem Wasser gefüllt war. In der Mitte stieg aus einer Spalte unaufhörlich Wasser auf und ließ die Oberfläche leicht zittern. Am hinteren Ende gurgelte das Wasser über den Rand des Bassins und verschwand in einer Öffnung im Fels. »Jetzt verstehe ich, warum es ›Cave Springs‹ heißt«, sagte Art. »Praktisch zum Taufen, was?«
    »Sehr praktisch. Okay, dein Höhlenforscherfreund hat recht gehabt – kaum zu verfehlen.« Die ovale Öffnung in der Felswand war rund zwei Meter fünfzig hoch und ein Meter zwanzig breit. Ein rostiges Gitter versperrte den Zutritt, gehalten von in den Fels gehauenen Eisenscharnieren und gesichert mit einem massiven Vorhängeschloss. »Verdammt«, sagte ich. »Und jetzt?«
    »Beten«, sagte Art und trat näher, um das Schloss genauer in Augenschein zu nehmen. Ich hörte Schlüssel klimpern, dann ein Schloss aufschnappen.
    »Hey, wie hast du das denn gemacht?«
    »Die Kraft, die Gott darreicht«, intonierte er und wandte den Blick gen Himmel, während er eine Art Hauptschlüssel wieder zu den anderen tat und den Schlüsselbund in seiner Tasche verschwinden ließ.
    Wir gingen rasch zurück zum Auto, um Taschenlampen, Jacken, einen Koffer mit einem Beweismittelsicherungs-Set und meine Kamera zu holen, dann kehrten wir zum Höhleneingang zurück. Trotz des Rosts an dem Gitter ließen sich die Scharniere mühelos bewegen, ohne ein Geräusch von sich zu geben. Ich bemerkte eine ordentliche Portion Schmiere an den Scharnierstiften. »Wäre nett zu wissen, wer die Scharniere fettet und wer den richtigen Schlüssel hat«, sagte ich.
    Als wir durch den Eingang des Tunnels traten, strich uns ein kühler Wind übers Gesicht. Sobald das grelle Tageslicht im Innern schwächer wurde, kniete Art sich hin und leuchtete mit der Taschenlampe tief über den Boden. »Kommt dir das bekannt vor?«
    Ich hockte mich hin. Das Frösteln, das mich überkam, hatte wenig mit der Temperatur in der Höhle zu tun. »Siehst du die alle? Das sind dieselben Abdrücke von Arbeitsstiefeln wie auf den Dias.« Er bewegte den Lichtstrahl langsam vor und zurück, und ich packte seinen Arm. »Da … das ist die Spur des Sheriffs, oder zumindest eine sehr ähnliche.« Genau wie auf den Fotos, die ich in der Grotte gemacht hatte, lagen die frischen, schlurfenden Schritte über den abgenutzten Spuren. Wenigstens bei den Abdrücken unmittelbar vor uns. Doch als Art den Lichtstrahl weiter

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