Anatomie
obersten: Die Arbeitsstiefel überlagerten uns alle. Sie führten von da, wo Art und ich standen, in die Grotte hinein, näherten sich der jetzt leeren Felsplatte, drehten um und führten ein Stück auf die andere Seite der Höhle, bevor sie kehrtmachten, wieder auf uns zukamen und zurück zur Kirche führten.
»Weißt du, was das bedeutet?«
»Ja«, sagte ich mit einem flauen Gefühl im Magen. »Er war letzte Woche hier.«
»Ja. Er weiß also nicht nur, dass jemand Bescheid weiß, er weiß, dass mehrere andere Leute Bescheid wissen. An einem Ort wie diesem muss er nicht lange herumfragen, um dahinterzukommen, dass du einer davon bist.«
Plötzlich hörten wir einen gedämpften Aufschlag, gefolgt vom Gerümpel herabstürzender Felsbrocken. Eine Staubwolke schoss durch die Spalte, füllte die Grotte und ließ uns hustend nach Luft schnappen. Ich legte mir den Arm übers Gesicht und versuchte, durch den Ärmel meiner Jacke zu atmen; Art zog den Kopf wie eine Schildkröte in den Halsausschnitt seines Pullovers. Wir standen stocksteif da, und allmählich legten sich das Poltern und der Staub und hinterließen eine dichte, bedrohliche Stille. Totenstille.
Der Schutt reichte bis zu der Spalte in der Grottenwand.
»Lass mich raten«, sagte Art, »ich würde sagen, jemand wusste, dass wir hier sind.«
Man musste kein forensisches Genie sein, um zu erkennen, dass wir keine Chance hatten, uns durch das Geröll, das den Eingang zur Kirche blockierte, zu graben. »Es ist wohl doch ganz gut, dass ich den Weg zum Hintereingang kenne.« Ich machte noch einige Fotos der neuen Fußabdrücke auf dem Boden. »Nicht dass ich wirklich überzeugt davon bin, dass ich die je vor Gericht verwenden kann«, murmelte ich, »aber allmählich stinkt’s mir.« Wir gingen auf die gegenüberliegende Seite der Grotte.
»Ja, das wird langsam persönlich«, sagte Art. »Das waren einige der besten Gipsabdrücke, die ich je gemacht habe. Und der von dem Brett? Damit wollte ich mir die Einladung zu einer forensischen Tagung verdienen.«
»Wie gewonnen, so zerronnen«, sagte ich. »Die gute Nachricht ist also, dass ich weiß, wie wir hier rauskommen. Die schlechte ist, dass die Straße fünf oder sechs Kilometer über einen holprigen Fahrweg führt und dass wir weit weg von unserem Auto sind. Es kann uns gut und gerne …«
Ein heller Blitz durchzuckte die Dunkelheit, begleitet von einem scharfen Knall. Der Boden bebte, und Felsbrocken regneten auf uns herunter. Art packte meine Jacke und riss mich just in dem Augenblick nach hinten, als ein Stalaktit herunterdonnerte und genau da, wo ich gestanden hatte, auf dem Boden zerschellte. Ich fuhr zusammen. Dann fluchte ich. Und zwar gehörig.
»Bill, geht’s dir gut?«
Ich nickte erschüttert. »Und dir?«
»Ich bin noch bei der Inventur. Bis jetzt zähle ich eine Beule am Kopf und zwei blaue Flecken, aber keine Knochenbrüche.« Er unterbrach sich. »Hey, Bill? Hast du die sechs Kilometer Weg eine schlechte Nachricht genannt? Ich glaube, das war genaugenommen die gute Nachricht. Vorhin, als es noch gute Nachrichten gab.«
Wir suchten uns einen Weg durch die schroffen Felsblöcke, die uns umgaben, und arbeiteten uns zum Hintereingang der Höhle durch. Oder zumindest dahin, wo dieser einst gewesen war. Der Trümmerhaufen wurde stetig höher. Nach wenigen Metern reichte der Schotter bis zur Decke und riegelte uns den Weg vollständig ab.
Ich spürte Panik aufsteigen, bekam keine Luft mehr, egal wie tief ich auch atmete. Der Kopf schwirrte mir. Ich hörte Arts Stimme wie aus großer Ferne. »Bill? Bill! Hör zu, Bill, du musst dich beruhigen.« Er klang seltsam normal, nicht wie ein Mann, der nach Sauerstoff ringt. »Billy, du hyperventilierst. Du musst langsamer atmen, sonst wirst du bewusstlos.« Ich kämpfte gegen den Drang zu keuchen an, doch er war stärker als ich. »Versuch, durch den Ärmel deiner Jacke zu atmen – vielleicht hilft das.« Ich spürte, wie er meinen Arm packte und den Ärmel zu meinem Gesicht führte. Der Stoff verlangsamte den Luftstrom. Während ich Mühe hatte, gegen den Widerstand zu atmen, spürte ich, wie meine Atemzüge langsamer wurden und die Watte in meinem Kopf sich allmählich lichtete. Schließlich hatte ich meine Atmung wieder einigermaßen unter Kontrolle und ließ den Arm sinken.
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich dachte, die Luft hier drin würde knapp.«
»Noch nicht. Wir haben noch sehr viel davon. Wahrscheinlich verhungern wir eher.«
»Verdammt,
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