Anatomien
ist und Knochen leicht sind.
Trockene Knochen bestehen hauptsächlich aus Hydroxylapatit, einer hydrierten Form von Kalziumphosphat. Diese mineralische Substanz ist zu dicht, um für Röntgenstrahlen durchlässig zu sein, weshalb die Strahlen sichtbar machen, wo sich Knochen befinden und wo diese vielleicht beschädigt sind. Wie Knochen funktionieren, zeigen uns die Röntgenstrahlen nicht. Man sieht nur, dass der Mensch ungefähr 206 Knochen besitzt.
Was heißt ungefähr? Bis 206 wird man doch noch zählen können? Die Zahl ist ein Näherungswert, weil einige Knochen zusammenwachsen, wenn wir älter werden. Das Kreuzbein entsteht, wenn die untersten fünf lastentragenden Wirbel zusammenwachsen. Darunter verschmelzen weitere drei, vier oder fünf Wirbel zu dem sehr viel kleineren Steißbein, das sich mit dem Kreuzbein verbindet. DasSteißbein war, evolutionär gesehen, einmal ein Schwanz. Tiere mit Schwanz besitzen sehr viel mehr Wirbel, die diesen flexibel halten. Das Steißbein ist aber nicht überflüssig, sondern hat seine heutige Form im Zuge unseres immer sesshafteren Lebensstils erhalten: Es stützt uns wie ein drittes Bein, wenn wir sitzen (die beiden anderen tragen den einprägsamen Namen Sitzbein). Wir besitzen sozusagen einen eingebauten dreibeinigen Hocker. Die meisten von uns haben mehr als 206 Knochen. Manchmal wachsen ungewöhnlich viele zusammen, dann sind es etwas weniger.
Der Grund für das Zusammenwachsen ist die Schwerkraft. Die Welt unter Wasser ist beinahe gewichtslos, deshalb müssen die Knochen von Walen und Fischen nicht zusammenwachsen und werden immer größer. Manchmal lässt die Größe eines Tieres deshalb genaue Rückschlüsse auf sein Alter zu. Wir Menschen dagegen hören irgendwann, bei ziemlich genau derselben Größe, auf zu wachsen. Der Biologe und Philosoph J.
B.
S. Haldane schrieb in einem berühmten Aufsatz:
Schauen wir uns einen eindeutigen Extremfall an, einen zwanzig Meter großen Riesen – so groß wie der Große Papst und der Große Heide in der illustrierten Ausgabe des Pilgrim’s Progress meiner Kindheit. Diese Monster waren nicht nur zehnmal so hoch wie Christ, der Protagonist der Geschichte, sondern auch zehnmal so breit und zehnmal so lang, weshalb sie eintausendmal so viel wogen wie er, nämlich etwa achtzig oder neunzig Tonnen. Leider hatten ihre Knochen nur Christs hundertfachen Durchmesser, sodass die Knochen des Riesen pro Quadratzentimeter zehnmal so viel Gewicht tragen mussten wie ein menschlicher Knochen. Da der menschliche Oberschenkelknochen bei etwa dem Zehnfachen des menschlichen Gewichts bricht, hätten sich Papst und Heide bei jedem einzelnen Schritt die Hüfte gebrochen. Wahrscheinlich hatte man sie deshalb auf dem Bild aus meiner Kindheit sitzend dargestellt. Allerdings dürfte man jetzt Christ und Jack den Riesentöter mit nicht mehr ganz so ehrfurchtsvollem Blick betrachten.
Diese Argumentation mag uns davon überzeugen, dass die Menschen von idealer Größe sind, aber sie widerlegt die Vorstellung, dass es ideale menschliche Proportionen gäbe, denn wenn wir wirklich zwanzig Meter groß wären, müssten auch unsere Proportionen ganz anders aussehen, als von Polyklet und Vitruv vorgesehen.
Da mehr als 200 Knochen zusammen nur ein paar Kilo wiegen, liegt das Durchschnittsgewicht eines menschlichen Knochens bei gerade mal 20 Gramm. Natürlich gibt es bedeutende Unterschiede hinsichtlich Größe und Form. Der „längste, größte und stärkste Knochen des Knochengerüsts“ ist nach Grays Anatomie der Oberschenkelknochen. Mit seinem langen, geraden Schaft und dem vergrößerten Kopf kann er auch als Keule herhalten – das wussten schon die Affen in der Anfangsszene von 2001: Odyssee im Weltraum . Den Gegenpol dazu bilden die winzigen Knochen des Ohrs, Hammer, Amboss und die winzigen Steigbügel, die manchmal nur drei Milligramm wiegen. Sie sehen tatsächlich aus wie die Steigbügel beim Reiten.
Viele Knochen sind nach ihrem Aussehen benannt. Allerdings sind die Dinge, nach denen sie benannt sind, teilweise nicht mehr so verbreitet. Das Sternum, also das Brustbein, erhielt seinen Namen angeblich von einem römischen Dolch: Die zusammenhängenden Einzelteile heißen Manubrium und Gladiolus, also Handgriff und Klinge. Den Schädel vergleicht man mit einem Haus: Die seitlichen Knochen heißen Parietale, nach dem lateinischen Wort für Mauer. Darunter liegen die temporalen Knochen, die entweder an einen Tempel (templum) erinnern, weil der
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