Anatomien
Kopf der Ort wichtiger Gedanken ist, oder an das Vergehen der Zeit (tempus), weil die Haare hier zuerst grau werden. Laut Gray sieht das Schlüsselbein aus wie ein kursiv gesetzter Buchstabe f; es heißt auch Clavicula, also kleiner Schlüssel (denn die meisten Schlüssel waren damals größer). In der Handwurzel befindet sich das Erbsenbein, das die Größe und Form einer Erbse besitzt. Andere Hand- und Fußknochen verdanken ihre Namen der Geometrie: das Große Vieleckbein(Os trapezium), das Kleine Vieleckbein (Os trapezoideum) und das Würfelbein (Os cuboideum). Wenn man ein bisschen Latein und Griechisch spricht, ist das alles ganz einfach.
All diese Namen und Beschreibungen beziehen sich auf das männliche Knochengerüst. Historische Untersuchungen medizinischer Lehrbücher haben ergeben, dass das erste weibliche Knochengerüst erst im 18.
Jahrhundert beschrieben wurde. Aus der Zeit davor gibt es nur eine einzige, ungenaue Zeichnung (von 1605). Dieser bedauerliche Missstand wurde zwar inzwischen teilweise behoben, allerdings um den Preis, dass das weibliche Knochengerüst vor allem im Hinblick auf seine Unterschiede gegenüber dem männlichen und auf seine vermeintliche Funktion, die Schwangerschaft, dargestellt wird.
Der Knochenbau der beiden Geschlechter unterscheidet sich in vieler Hinsicht, allerdings sind die meisten Unterschiede nur graduell. Frauen haben in der Regel dünnere Knochen, einen engeren Brustkorb und einen runderen Schädel sowie ein größeres, breiteres Becken. (Vielleicht sollte man es angesichts des eben erwähnten historischen Hintergrundes so formulieren: Männer besitzen schwerere Knochen, eine breitere Brust und einen eckigeren Schädel.) Das männliche und das weibliche Knochengerüst unterscheiden sich jedenfalls nicht, was die Zahl der Rippen angeht. Der Mythos, dass Frauen dreizehn und Männer zwölf Rippenpaare besitzen, geht auf die biblische Erzählung zurück, nach der Eva aus einer von Adams Rippen geschaffen wurde. Bibelforscher gehen der Bedeutung dieser Geschichte seit Langem nach. Das hebräische Wort tsela, das man als Rippe übersetzt, kann auch einfach Seite heißen, womit die göttliche Schöpfungs-Operation ein beträchtlicher chirurgischer Eingriff gewesen wäre. Die christliche Schöpfungserzählung steht jedenfalls in Einklang mit anderen Mythen, zum Beispiel mit der Vorstellung, dass Dionysos aus Zeus’ Oberschenkel geboren wurde. Zwar besitzen Frauen also keine zusätzliche Rippe (die bekannte Frauenzeitschrift Spare Rib trägt einen wunderbar ironischen Namen), doch kommt es bei einem von 200 Menschen vor, dasssich eben doch eine zusätzliche Rippe ausbildet, was uns an unsere evolutionäre Abkunft von Lebewesen mit sehr viel mehr Rippenpaaren erinnert (auch die Schlange im Garten Eden hatte sicher Hunderte).
Dem Namen nach zu urteilen, sollte der Adamsapfel dem Mann vorbehalten sein. Aber wir erinnern uns: Das Buch Genesis erklärt, dass Eva die Frucht vom Baum der Erkenntnis zuerst anbiss, bevor sie Adam in Versuchung führte. Ein Blick auf die Anatomie verdeutlicht: Sowohl Männer als auch Frauen besitzen am Kehlkopf die sogenannte Prominentia laryngea – ein Knorpel, kein Knochen. Der Kehlkopf ist eine Höhlung, in der die Stimmlippen Luft in Schwingung versetzen. Er besitzt eine natürliche Resonanzfrequenz, die vom Volumen der Höhlung und von der Größe und der Form seiner Öffnung abhängen. Er gleicht damit einem Helmholtz-Resonator. Der Physiologe Hermann von Helmholtz entwickelte diese Geräte im 19.
Jahrhundert zur Analyse von Musik. Eine leere Flasche kann das illustrieren. Wenn Sie über die Öffnung hinwegblasen, hören Sie einen Ton in der Resonanzfrequenz. Wenn die Flasche halb voll ist, wird der Ton höher. In der Pubertät entsteht der Adamsapfel, durch den das Volumen des Kehlkopfs größer wird. Dieser kann dann tiefere Töne erzeugen. Bei Jungen ist er größer als bei Mädchen, der Winkel beträgt normalerweise 90 Grad statt 120, und dieser Unterschied erklärt die kräftigere und tiefere Stimme.
Künstliche Materialien können mit Knochen in kaum einer Hinsicht mithalten. Die ersten Werkzeuge des Menschen waren Knochen – auch Menschenknochen wie Schädelteile, die als Kratzer dienten. Knochen sind auch heute noch für Materialwissenschaftler ein wichtiger Anhaltspunkt, wenn es darum geht, Tragkraft und Leichtigkeit zu verbinden. Wie bei einem Material zu erwarten, das dafür geschaffen ist, Gewichte zu tragen, sind Knochen
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