Anbetung
Gesicht verbinden konnte, würde mein paranormaler Magnetismus mich nicht zu ihm führen. Wenn ich trotzdem aufs Geratewohl durch die Gegend gondelte, brachte das gar nichts.
Mit klaren Absichten machte ich mich auf den Weg nach Camp’s End.
Am Abend hatte Wyatt Porter angeordnet, das Haus von Robertson zu überwachen, doch inzwischen war der Posten
abgezogen worden. Nach den Schüssen auf ihren Chief war die Polizei im Schockzustand, und offenbar hatte jemand beschlossen, die verfügbaren Einsatzkräfte anders zu verteilen.
Plötzlich dämmerte es mir, dass der Anschlag auf Wyatt Chief womöglich nicht nur dazu gedient hatte, mir einen zweiten Mord anzuhängen. Vielleicht hatte Robertsons Komplize den Chief ausschalten wollen, um dafür zu sorgen, dass die Polizei von Pico Mundo in einen angeschlagenen, desorientierten Zustand geriet, in dem sie nicht schnell genug auf die nahende Krise reagieren konnte.
Statt ein Stück weit entfernt auf der anderen Straßenseite zu parken, stellte ich den Chevy direkt vor der blassgelben Casita mit der verblichenen blauen Tür ab. Mutig marschierte ich zum Carport.
Mein Führerschein war immer noch dazu geeignet, seinen Hauptzweck zu erfüllen. Das Türschloss schnappte auf, und ich betrat die Küche.
Eine Minute lang blieb ich hinter der Schwelle stehen und lauschte. Das Brummen des Kühlschrankaggregats. Ein leises Ticken und Ächzen wies darauf hin, dass die Fugen des alten Hauses sich in der zunehmenden Hitze des neuen Morgens dehnten und streckten.
Mein Instinkt sagte mir, dass ich allein war.
Ich ging direkt in das sauber aufgeräumte Arbeitszimmer, das momentan nicht als Bahnhof für anreisende Bodachs diente.
Von der Wand über den Aktenschränken aus beobachteten mich McVeigh, Manson und Atta, als verfügten sie über eine Art Bewusstsein.
Am Schreibtisch sichtete ich noch einmal den Inhalt der Schubladen und suchte nach Namen. Bei meinem ersten Besuch hatte ich das kleine Adressbuch für belanglos gehalten, doch nun blätterte ich es mit Interesse durch.
Das Büchlein enthielt weniger als vierzig Namen und Adressen. Nichts davon sagte mir etwas.
Die Bankauszüge ging ich nicht mehr im Einzelnen durch, sondern starrte bloß darauf und dachte an die 58.000 Dollar Bargeld, die Robertson in den vergangenen zwei Monaten abgehoben hatte. Über 4.000 waren in seinen Hosentaschen gewesen, als ich die Leiche gefunden hatte.
Wenn man ein reicher Soziopath war, der Interesse daran hatte, einen gut geplanten Massenmord zu finanzieren, wie viel Blutvergießen konnte man dann wohl für zirka 54.000 Dollar kaufen?
Selbst unausgeschlafen, mit Koffeinkopfschmerz und zu viel Zucker im Hirn konnte ich die Frage ohne langes Überlegen beantworten: eine Menge. Für so viel Geld bekam man alles, was das Mörderherz begehrte: Munition, Sprengstoff, Giftgas, so ziemlich alles außer einer Atombombe.
Irgendwo im Haus fiel eine Tür zu – nicht mit einem Knall, sondern leise, mit einem dumpfen Ton und einem Klicken.
Behutsam ging ich schnell zur offenen Tür des Arbeitszimmers. Ich trat in den Flur.
Kein Eindringling in Sicht. Außer mir.
Die Türen des Bads und des Schlafzimmers standen wie zuvor offen.
Der Kleiderschrank im Schlafzimmer besaß Schiebetüren. Von denen konnte das Geräusch, das ich gehört hatte, nicht stammen.
Wohl wissend, dass sowohl die Tollkühnen als auch die Furchtsamen häufig mit dem Tod belohnt werden, schlich ich mit vorsichtiger Hast ins Wohnzimmer. Verlassen.
Die Schwingtür zur Küche konnte ich auch nicht gehört haben, und die Haustür war wie vorher geschlossen.
In der vorderen linken Ecke des Wohnzimmers stand ein
Kleiderschrank. Darin: zwei Jacken, einige zugeklebte Kartons, ein Regenschirm.
Weiter in die Küche. Niemand.
Vielleicht hatte ich gehört, wie ein Eindringling hinausging . Das hätte bedeutet, dass jemand bei meiner Ankunft im Haus gewesen war und sich hinausgeschlichen hatte, als er sich sicher sein konnte, dass ich abgelenkt war.
Auf meiner Stirn kribbelte Schweiß. Ein einzelner Tropfen rollte zitternd meinen Nacken hinab und am Rückgrat entlang bis zum Steißbein.
Die Morgenhitze war nicht der einzige Grund für meinen Schweißausbruch.
Ich ging ins Arbeitszimmer zurück und fuhr den Computer hoch. Dann rief ich Robertsons Programme auf, surfte in seinen Verzeichnissen und fand eine ganze Bibliothek voll schlüpfrigem Zeug, das er aus dem Internet heruntergeladen hatte. Dateien mit sadistischer Pornografie und
Weitere Kostenlose Bücher