Anbetung
halbe Grapefruit ins Gesicht.«
»Und was tut sie dagegen – kastriert sie ihn? Das würde ich nämlich tun, und zwar mit meinem Grapefruitmesser.«
»Der Film wurde 1931 gedreht. Da konnte man im Kino noch keine Kastrationen zeigen.«
»Welch eine unreife Kunstform das damals doch war! Heute ist sie so fortgeschritten. Also, willst du die Hälfte von meiner Grapefruit, und ich kriege dafür mein Messer?«
»Ich will bloß eines sagen: Ich hab dich lieb, und ich hab Angst um dich.«
»Ich hab dich auch lieb, Süßer. Deshalb verspreche ich dir, meinen Imbiss nicht auf einem Minigolfplatz einzunehmen. Das tue ich direkt in der Eisdiele. Sollte ich dabei versehentlich Salz verschütten, werfe ich sofort eine Prise über die Schulter. Ach was, ich werfe den ganzen Salzstreuer!«
»Danke. Trotzdem behalte ich die Sache mit der Grapefruit vorerst noch in der Hinterhand.«
46
Am Haus der Takudas im Hampton Way waren keinerlei Bodachs zu sehen, obwohl es in der Nacht dort nur so von ihnen gewimmelt hatte.
Während ich am Straßenrand parkte, rollte das Garagentor hoch. Ken Takuda kam in seinem Lincoln Navigator rückwärts herausgefahren.
Als ich auf die Einfahrt zuging, trat er auf die Bremse und öffnete das Fenster. »Guten Morgen, Mr. Thomas!«
Er ist der einzige Mensch aus meiner Bekanntschaft, der mich so förmlich anredet.
»Guten Morgen, Sir. Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr?«
»Ein herrlicher Morgen«, verkündete er. »Ein bedeutsamer Tag, der wie jeder Tag voller Möglichkeiten ist.«
Dr. Takuda gehört zur Fakultät des Ablegers der California State University in Pico Mundo. Sein Fachgebiet ist die amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts.
Angesichts dessen, dass die moderne Literatur, mit der man sich an den meisten Universitäten beschäftigt, im Allgemeinen einem trostlosen, zynischen, morbiden, pessimistischen und misanthropischen Dogmatismus huldigt und häufig von depressiven Charakteren stammt, die sich früher oder später mit Alkohol, Drogen oder einer Schrotflinte umbringen, ist Professor Takuda ein erstaunlich fröhlicher Mensch.
»Ich brauche einen Rat bezüglich meiner Zukunft«, log ich. »Ich überlege mir nämlich, doch aufs College zu gehen, um
irgendwann zu promovieren und wie Sie eine akademische Karriere zu verfolgen.«
Sein glänzendes japanisches Gesicht erbleichte und nahm eine gelblich graue Färbung an. »Also, Mr. Thomas, ich bin zwar sehr für Bildung, aber eine Universitätslaufbahn kann ich mit gutem Gewissen nur in den Naturwissenschaften empfehlen. Als Arbeitsmilieu ist die übrige akademische Welt eine Kloake aus Irrationalität, gegenseitiger Hetze, Neid und Selbstsucht. Sobald ich die fünfundzwanzig Jahre hinter mir habe, nach denen ich mich pensionieren lassen kann, steige ich aus, und dann schreibe ich Romane wie Ozzie Boone.«
»Aber Sir, Sie sehen doch immer so glücklich aus.«
»Im Bauch des Leviathans, Mr. Thomas, kann man entweder verzweifeln und zugrunde gehen oder fröhlich sein und durchhalten. « Er strahlte mich an.
Das war zwar nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte, aber dadurch ließ ich mich von meinem halbgaren Plan nicht abbringen. Ich wollte irgendwie herausbekommen, wie der Professor den Tag verbrachte, um dadurch vielleicht den Ort zu lokalisieren, an dem Robertsons Komplize zuschlagen wollte. »Ich würde trotzdem gern mit Ihnen darüber sprechen«, sagte ich.
»Auf der Welt gibt es zwar zu wenig bescheidene Grillköche und viel zu viele überhebliche Dozenten, aber wenn Sie möchten, plaudern wir gern darüber. Rufen Sie einfach bei der Universität an, und lassen Sie sich zu meinem Büro durchstellen. Mein Hiwi wird einen Termin mit Ihnen vereinbaren.«
»Ich hab gehofft, wir könnten uns gleich heute Morgen unterhalten.«
»Jetzt sofort? Was hat diesen plötzlichen Hunger nach akademischen Lorbeeren denn hervorgerufen?«
»Ich muss ernsthaft über meine Zukunft nachdenken. Am Samstag heirate ich nämlich.«
»Etwa Ms. Bronwen Llewellyn?«
»Ja, Sir.«
»Mr. Thomas, was sich Ihnen gerade bietet, ist die seltene Gelegenheit, vollkommen glücklich zu werden. Da wären Sie schlecht beraten, Ihr Leben mit Dingen wie Geisteswissenschaften oder Drogenhandel zu vergiften. Heute Morgen habe ich ein Seminar, gefolgt von zwei Beratungsgesprächen. Dann gehe ich mit meiner Familie Mittag essen und danach ins Kino, also wäre morgen der absolut früheste Termin, an dem wir uns über Ihren selbstzerstörerischen Einfall
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