Anbetung
sich bei meinem ersten Besuch auf dem Dach getummelt hatten. Ich wandte mich vom Fenster ab und blickte lauschend an die Decke.
Nachdem sich das Klopfen nach einer Minute nicht noch einmal wiederholt hatte, trat ich in die Küche. An manchen Stellen knarrte das alte Linoleum unter meinen Schritten.
Was den Namen von Robertsons Komplizen betraf, konnte ich mir nicht vorstellen, ausgerechnet in der Küche irgendwelche Hinweise darauf zu finden. Trotzdem durchsuchte ich sämtliche Schubladen und Schränke. Die meisten waren leer: nur einige Teller, ein halbes Dutzend Gläser, etwas Besteck.
Ich ging zum Kühlschrank, weil Stormy eventuell fragen würde, ob ich ihn wenigstens diesmal nach abgetrennten Köpfen durchsucht hätte. Als ich die Tür öffnete, fand ich Bier, Limonade, einen Teller mit einem Rest Dosenschinken, einen halben Erdbeerkuchen und die üblichen Vorräte und Zutaten.
Neben dem Kuchen lag ein durchsichtiger Plastikbeutel mit vier schwarzen, etwa zwanzig Zentimeter langen Kerzen. Vielleicht hatte Robertson sie in den Kühlschrank gelegt, weil die Sommerhitze sie sonst in einem Haus ohne Klimaanlage weich gemacht und verformt hätte.
Neben den Kerzen stand ein Einmachglas ohne Etikett, gefüllt mit kleinen Dingern, die wie Zähne aussahen. Beim näheren Hinsehen bestätigte sich der Verdacht: Dutzende von Backen-, Vorbacken-, Schneide- und Eckzähnen. Genug, um mindestens fünf oder sechs Münder zu füllen.
Einen langen Augenblick starrte ich auf das Glas und versuchte mir vorzustellen, wie Robertson wohl an diese merkwürdige Sammlung gekommen war. Weil ich beschloss, lieber
nicht länger darüber nachzudenken, machte ich die Tür wieder zu.
Hätte ich im Kühlschrank nichts Ungewöhnliches entdeckt, so hätte ich im Gefrierfach gar nicht nachgeschaut. Nun jedoch fühlte ich mich zum Weiterforschen verpflichtet.
Das Gefrierfach war ein tiefer, herausrollbarer Kasten unter dem Kühlschrank. Als ich ihn aufzog, saugte die heiße Küche augenblicklich eine Wolke aus kaltem Nebel heraus.
Zwei rosa und gelb bedruckte Behälter darin kannte ich schon: die Eiskrem, die Robertson am vorigen Nachmittag gekauft hatte. Maple-Walnuss und Mandarine-Schoko.
Außerdem enthielt der Kasten etwa zehn undurchsichtige Kunststoffbehälter mit roten Deckeln, von Form und Größe her geeignet, übrig gebliebene Lasagne aufzubewahren. Ich hätte sie nicht geöffnet, wenn die obersten Behälter nicht mit von Hand beschriebenen Etiketten versehen gewesen wären: HEATHER JOHNSON, JAMES DEERFIELD.
Schließlich suchte ich vor allem nach Namen.
Als ich die obersten Behälter zur Seite stellte, sah ich auf den Deckeln darunter weitere Namen: LISA BELMONT, ALYSSA RODRIQUEZ, BENJAMIN NADER …
Ich fing mit Heather Johnson an. Als ich den roten Deckel aufbog, fand ich zwei Frauenbrüste.
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Souvenirs. Trophäen. Gegenstände, um die Fantasie anzustacheln und in einsamen Nächten das Herz zu erregen.
Ich ließ den Behälter ins Gefrierfach zurückfallen, als hätte ich mir die Hände verbrannt. Dann sprang ich auf und schloss die Schublade mit einem Fußtritt.
Ich muss mich vom Kühlschrank abgewandt haben und quer durch die Küche gegangen sein, wurde mir dessen aber erst bewusst, als ich am Spülbecken stand. Vornübergebeugt kämpfte ich gegen den Drang an, die Kekse von Mrs. Sanchez von mir zu geben.
In meinem Leben habe ich allerhand grässliche Dinge gesehen. Manche waren schlimmer als der Inhalt des Kunststoffbehälters. Dennoch hat die Erfahrung mich nicht immun gegen das Grauen gemacht, und menschliche Grausamkeit kann mich noch immer völlig aus dem Gleichgewicht bringen und die Verschlussbolzen in meinen Knien lockern.
Obwohl ich das dringende Bedürfnis hatte, mir die Hände zu waschen und dann kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen, rührte ich Robertsons Wasserhahn lieber nicht an. Der Gedanke, seine Seife zu benutzen, war mir erst recht zuwider.
In der Aktenmappe, die seinen Namen trug, hatte er nur die Kalenderseite für den 15. August eingelegt und damit suggeriert, dass seine Karriere als Mörder an diesem Tag beginnen würde. Der Inhalt des Gefrierfachs wies jedoch darauf hin, dass seine Akte wesentlich dicker hätte sein sollen.
Ich war in Schweiß gebadet, der sich auf meinem Gesicht heiß anfühlte und entlang dem Rückgrat kalt. Auf die Dusche im Krankenhaus hätte ich verzichten können.
Ich sah auf meine Armbanduhr: 10.02 Uhr.
Das Bowlingcenter machte erst um ein Uhr nachmittags auf. Auch
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