Anbetung
den Pfropfen im rechten Nasenloch hinausgeblasen. Sobald die Überreste der zitronigen Flüssigkeit verdunstet waren, nahm ich den Geruch der Leiche wieder wahr, allerdings nicht mit voller Stärke, weil ich weiterhin nur durch den Mund atmete.
Als ich zu der Ecke hinüberblickte, in die sich die Spinne zurückgezogen hatte, stellte ich fest, dass das Biest nicht mehr da war.
Bange schaute ich mich um. Dann sah ich trotz des schwachen Lichts, wie das haarige Tier links von der Ecke langsam die rosa Wand hochkroch. Etwa einen Meter hatte es schon geschafft.
Zu zittrig und zu gehetzt, um das Hemd des Toten aufzuknöpfen, wie ich es in meiner Wohnung getan hatte, riss ich es auf. Die Knöpfe sprangen ab. Einer flog mir ins Gesicht, die anderen kullerten über den Boden.
Ich musste erst das Bild verdrängen, wie meine Mutter sich die Pistole an die Brust hielt, bevor ich fähig war, die Taschenlampe auf die Wunde zu richten. Nachdem ich alle Kraft zusammengenommen hatte, um genauer hinzuschauen, sah ich, was mir so merkwürdig vorgekommen war.
Ich lehnte die Lampe wieder an die Leiche und schälte drei weitere Feuchttücher aus ihrer Folie. Dann legte ich die Tücher aufeinander und tupfte damit vorsichtig den undurchsichtigen, cremeartigen Schleim ab, der aus der Wunde getreten war.
Das Geschoss hatte auf Robertsons Brust direkt über dem Herzen eine Tätowierung durchbohrt. Sie bestand aus einem schwarzen Rechteck, genauso groß wie die Meditationskarte, die ich in seiner Geldbörse gefunden hatte. In der Mitte des Rechtecks sah ich drei rote Hieroglyphen.
Übernächtigt, nervös und aufgeputscht von zu viel Koffein, konnte ich mir nicht gleich zusammenreimen, was die drei Zeichen bedeuteten, auch deshalb, weil ich sie verkehrt herum sah.
Während ich an Robertsons Seite kroch, hatte ich das Gefühl, dass seine toten Augen sich bewegten und mich durch ihren halb durchsichtigen, milchigen Überzug hindurch verfolgten.
Ein Blick in Richtung der Tarantel. Sie war von der Wand verschwunden. Mit der Taschenlampe entdeckte ich sie an der Decke, wo sie langsam auf mich zukroch. Direkt angestrahlt, erstarrte sie.
Ich richtete das Licht auf die Tätowierung und sah, dass es sich bei den Hieroglyphen doch um drei Buchstaben des lateinischen Alphabets handelte, die in einer verschnörkelten Schrift geschrieben waren. V … D … Der dritte war von der Kugel teilweise weggerissen worden, aber ich war mir sicher, dass es sich um ein L gehandelt hatte.
VDL. Kein Wort, sondern eine Abkürzung. Dank Shamus Cocobolo wusste ich, was sie bedeutete: Vater der Lüge.
Robertson hatte den Namen seines dunklen Herrn und Meisters über dem Herzen getragen.
Drei Buchstaben: VDL . Irgendwo anders war ich auf drei andere gestoßen, erst vor kurzem …
Plötzlich tauchte das Bild von Officer Simon Varner in meiner Erinnerung auf. Auf dem Parkplatz des Bowlingcenters saß er am Lenkrad seines Streifenwagens und beugte sich zum offenen Fenster hin. Sein Gesicht war so liebenswürdig, dass er als Moderator einer Kindersendung getaugt hätte, die Augen mit den schweren Lidern erinnerten an die eines schläfrigen Bären, der stämmige Unterarm ruhte auf der Türkante. Und darauf war das Tattoo der Jugendbande angebracht, für das er sich angeblich schämte. Nicht so kunstvoll wie Robertsons Tätowierung und in einem völlig anderen Stil. Kein schwarzes Rechteck mit verschnörkelten roten Lettern. Nur eine simple Abkürzung in schwarzen Blockbuchstaben. Mit einem F fing sie an, und dann … vielleicht FOF .
Trug Officer Simon Varner von der Polizei von Pico Mundo den Namen desselben Herrn und Meisters auf dem linken Arm?
Wenn Robertsons Tattoo seinen Besitzer mit einem der vielen Namen des Teufels kennzeichnete, dann gehörte Simon Varner womöglich zum selben Club.
Namen für den Teufel schossen mir durchs Hirn: Satan, Luzifer, Pferdefuß, Beelzebub, Vater des Bösen, Seine Satanische Majestät, Apollyon, Belial …
Mir fiel kein Wort ein, mit dem ich die Abkürzung auf Varners Arm erklären konnte, aber trotzdem zweifelte ich nicht daran, dass ich Robertsons Komplizen identifiziert hatte.
Als ich Varner vor dem Bowlingcenter gesehen hatte, war er nicht von Bodachs umgeben gewesen wie Robertson. Hätte ich solche Geister in seiner Nähe gesehen, dann wäre mir vielleicht klar geworden, welch ein Ungeheuer er war.
Weil man hier möglicherweise irgendwann nach Fingerabdrücken suchte, sammelte ich hastig die Hüllen ein, in denen
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