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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Himmel und bleichte ihn aus. Selbst die Baumschatten pulsierten nun vor Hitze, und während ich davonging, brannte ich so vor Scham, dass es mich nicht überrascht hätte, wenn das Gras unter meinen Füßen in Flammen aufgegangen wäre.
    »Tot in mir drin«, wiederholte meine Mutter. »Einen endlosen Monat nach dem anderen hab ich gespürt, wie dein toter Fötus in meinem Bauch verfault ist und mir den ganzen Körper vergiftet hat.«
    An der Hausecke blieb ich stehen, drehte mich um und sah sie an, vielleicht zum letzten Mal.
    Sie war die Treppe heruntergekommen, ohne mir weiter zu folgen. Ihr rechter Arm hing schlaff herab, die Waffe zielte auf den Boden.
    Ich hatte nicht darum gebeten, geboren zu werden. Nur darum, geliebt zu werden.
    »Ich kann dir nichts geben«, sagte sie. »Kapierst du das endlich? Nichts, nichts! Du hast mich vergiftet, du hast mich
mit Eiter und toter Babyfäule angefüllt, und jetzt bin ich ruiniert. «
    Als ich ihr den Rücken zuwandte, hatte ich das Gefühl, dass es für immer war. Dann hastete ich am Haus entlang auf die Straße zu.
    Angesichts meines Erbes und meiner qualvollen Kindheit frage ich mich manchmal, wieso ich nicht auch verrückt geworden bin. Vielleicht bin ich es sogar.

54
    Während ich schneller als gesetzlich zugelassen auf den Stadtrand von Pico Mundo zufuhr, versuchte ich vergeblich, alle Gedanken an die Mutter meiner Mutter, an Oma Sugars, zu verbannen.
    Meine Mutter und meine Großmutter leben in weit voneinander getrennten Bereichen meines Denkens, in souveränen Staaten der Erinnerung, die keinen Handel miteinander treiben. Weil ich Pearl Sugars so lieb gehabt hatte, hatte ich mich immer dagegen gesträubt, im Zusammenhang mit ihrer wahnsinnigen Tochter an sie zu denken.
    Als ich nun zur gleichen Zeit an beide dachte, tauchten schreckliche Fragen in mir auf, deren Beantwortung ich lange konsequent verweigert hatte.
    Pearl Sugars hatte gewusst, dass ihre Tochter psychisch labil, wenn nicht gar gestört war, aber im Alter von achtzehn Jahren trotzdem alle Medikamente abgesetzt hatte. Sie musste auch gewusst haben, dass eine Schwangerschaft und die Verantwortung, ein Kind aufzuziehen, meine Mutter an die Grenze ihrer Belastbarkeit treiben würden.
    Dennoch hatte sie nicht zu meinen Gunsten eingegriffen.
    Zum einen hatte sie Angst vor ihrer Tochter. Das habe ich bei zahlreichen Gelegenheiten selbst beobachtet. Die abrupten Stimmungsschwankungen und das hitzige Temperament meiner Mutter schüchterten meine Großmutter ein, obwohl sie sich sonst von niemandem ins Bockshorn jagen ließ und nicht davor zurückgeschreckt wäre, einem zwei Köpfe größeren
Rowdy eins auf die Nase zu geben, wenn er sie bedrohte.
    Zum anderen liebte Pearl Sugars ihr wurzelloses Leben viel zu sehr, um sesshaft zu werden und ein Enkelkind aufzuziehen. Wanderlust, die Verlockung spannender Kartenspiele in legendären Städten – Las Vegas, Reno, Phoenix, Albuquerque, Dallas, San Antonio, New Orleans, Memphis – und ein Bedürfnis nach Abenteuer und Dramatik hielten sie mehr als die Hälfte des Jahres von Pico Mundo fern.
    Zu Oma Sugars’ Verteidigung wäre zu sagen, dass sie sich bestimmt nicht vorstellen konnte, wie grausam und unbarmherzig sich meine Mutter mir gegenüber wirklich verhielt. Oma wusste nichts von der Pistole und den Drohungen, die meine Kindheit geprägt haben.
    Noch heute weiß niemand außer mir und meiner Mutter darüber Bescheid. Während Stormy all meine anderen Geheimnisse erfahren hat, habe ich dieses sogar ihr vorenthalten. Erst wenn Little Ozzie dieses Manuskript liest, das ich auf sein Drängen hin geschrieben habe, werde ich voll und ganz verraten haben, was meine Mutter für mich ist und was ich für sie bin.
    Schuldgefühle und Scham haben mir bis jetzt den Mund verschlossen. Auch wenn ich erst zwanzig bin, so bin ich doch alt genug, um zu wissen, dass ich keinen logischen Grund habe, mich schuldig zu fühlen oder zu schämen, weil ich das Opfer war, nicht der Täter. Dennoch köchle ich in diesen beiden Emotionen schon so lange vor mich hin, dass ich für immer danach riechen werde.
    Wenn ich Ozzie dieses Manuskript überreiche, werde ich vor Erniedrigung nur so glühen. Und nachdem er es gelesen hat, werde ich beschämt das Gesicht in den Händen verbergen, wenn er über diese Teile meiner Geschichte spricht.

    Die kranke Seele will ins taube Kissen entladen ihr Geheimnis.
    Shakespeare, Macbeth, fünfter Akt, erste Szene.
    Dieses Zitat habe ich hier nicht nur

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