Anbetung
Messias.
Allerdings war ich nicht zurückgekehrt, um den Toten wieder zum Leben zu erwecken, sondern lediglich, um ihn zu untersuchen.
Als ich durch die Tür trat, fühlte ich mich, als müsste ich das Los von Sadrach, Mesach und Abed-Nego im Feuerofen Nebukadnezars teilen. Aus dieser Hitze, in der ein schauderhafter Geruch schwebte, konnte mich jedoch nicht einmal ein Engel retten.
Das alkaliweiße Wüstenlicht brannte sich durch die schmalen Fenster, aber die waren so klein und so weit auseinander, dass ich trotzdem die Taschenlampe brauchte.
Ich folgte dem mit Abfall übersäten Flur zur vierten Tür. Dann trat ich in das rosa Zimmer, das einst eine profitable Lusthöhle gewesen war. Nun war es zu einem langsam vor sich hin schwelenden Krematorium geworden.
55
In meiner Abwesenheit waren weder neugierige Menschen noch Aasfresser da gewesen. Die Leiche lag dort, wo ich sie hingelegt hatte. Ein Ende des Futterals war offen, ein beschuhter Fuß ragte heraus; sonst war alles in das weiße Laken gehüllt.
Durch die heiße Nacht und den glühenden Morgen war die Verwesung erleichtert und beschleunigt worden. Der Gestank war hier wesentlich schlimmer als anderswo in der Baracke. Zusammen mit der erstickenden Hitze wirkte er wie zwei schnelle Schläge in den Magen. Ich zog mich sofort aus dem Zimmer in den Flur zurück, wo ich keuchend nach reinerer Luft rang, während ich dagegen ankämpfte, mich zu übergeben.
Ich hatte die Feuchttücher zwar nicht zu diesem Zweck mitgebracht, aber das hinderte mich nicht daran, eines aus der Folie zu schälen und zwei Streifen abzureißen. Das feuchte Papier hatte einen zitronigen Duft. Ich rollte die Streifen zu Kugeln, mit denen ich mir die Nasenlöcher verstopfte.
Da ich nun nur noch durch den Mund atmete, roch ich die verwesende Leiche nicht mehr. Als ich das Zimmer wieder betrat, musste ich trotzdem würgen.
Natürlich hätte ich den Schnürsenkel aufschneiden können, der das obere Ende des Lakens zusammenhielt, und die Leiche dann aus ihrer Hülle wickeln können. Die Vorstellung, wie der Tote über den Boden rollte, brachte mich jedoch dazu, eine andere Lösung für das Problem zu suchen.
Widerstrebend kniete ich mich am Kopf der Leiche hin und lehnte die Taschenlampe so an, dass sie mein Tun am besten beleuchtete.
Ich schnitt den Schnürsenkel auf und warf ihn beiseite. Die Schere war scharf genug, um die drei übereinander liegenden Schichten des Lakens auf einmal durchzuschneiden. Das tat ich geduldig mit aller Vorsicht, weil mir davor grauste, versehentlich das Fleisch des Toten aufzuschlitzen.
Als das aufgeschnittene Laken zu beiden Seiten des Körpers herabglitt, kam als Erstes das Gesicht zum Vorschein. Zu spät wurde mir klar, dass es klüger gewesen wäre, von unten anzufangen; dann hätte ich das Laken nur bis zum Hals öffnen müssen, um die Wunde zu betrachten, und mir diesen scheußlichen Anblick ersparen können.
Die Zeit und die heillose Hitze hatten ihr garstiges Werk getan. Das Gesicht, das ich von oben her sah, war aufgedunsen, dunkler als vorher und grün gesprenkelt. Der Mund war aufgeklappt. Beide Augen waren von einer dünnen, milchigen Flüssigkeit überzogen; der Unterschied zwischen dem Weißen und der Iris war jedoch noch zu erkennen.
Als ich die Hand über das Gesicht des Toten streckte, um das Laken über der Brust aufzuschneiden, leckte er mich am Handgelenk.
Vor Entsetzen und Ekel schrie ich auf, zuckte zurück und ließ die Schere fallen.
Aus dem offenen Mund der Leiche kroch eine zuckende schwarze Masse, ein in diesem Kontext so seltsames Wesen, dass ich es erst erkannte, als es ganz zum Vorschein gekommen war. Auf Robertsons totem Gesicht richtete das Ding sich auf seine vier Hinterbeine auf und fuchtelte mit den Vorderbeinen in der Luft. Eine Tarantel.
Zu schnell, um ihr eine Chance zum Zubeißen zu lassen,
schlug ich mit dem Handrücken nach ihr. Sie purzelte auf den Boden, sprang auf die Beine und huschte in eine entfernte Ecke.
Als ich die heruntergefallene Schere aufhob, zitterte meine Hand so heftig, dass ich der Luft einen Haarschnitt verpasste, bevor es mir gelang, mich zu beruhigen.
Besorgt, dass womöglich weiteres Krabbelzeug ins Laken gekrochen war, um den duftenden Inhalt zu erforschen, setzte ich meine Arbeit am Laken mit nervöser Vorsicht fort. Ohne einen weiteren Achtbeiner auf Nahrungssuche anzutreffen, enthüllte ich den Körper bis zur Hüfte.
Bei meiner schreckhaften Reaktion auf die Tarantel hatte ich
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