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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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aufgenommen, um Ihnen, lieber Ozzie, eine Freude zu machen. Es enthält eine bittere Wahrheit, die mir nur zu gut vertraut ist. Meine Mutter hatte meinen Verstand damals mit einem so wirksamen Virus vergiftet, dass ich nicht einmal in der Lage war, die schamvolle Marter meinem Kissen anzuvertrauen, sondern sie jede Nacht ungelindert mit in den Schlaf nahm.
    Was Oma Sugars angeht: Ich komme nun nicht zu fragen umhin, ob ihre unstete Lebensweise und ihre häufige Abwesenheit, im Verein mit ihrer Spielsucht und ihrem ruhelosen Wesen, entscheidend zu den psychischen Problemen meiner Mutter beigetragen haben.
    Schlimmer noch, es ist nicht auszuschließen, dass die Krankheit meiner Mutter nicht das Ergebnis einer unzureichenden Erziehung ist, sondern voll und ganz genetisch bedingt. Vielleicht hat Pearl Sugars an einer leichteren Form derselben Psychose gelitten, die sich nur auf sympathischere Weise ausdrückte als bei meiner Mutter.
    Womöglich ist der einsiedlerische Drang meiner Mutter eine Umkehrung der Wanderlust meiner Großmutter. Dann wäre das Bedürfnis meiner Mutter nach finanzieller Sicherheit, die sie sich auf Kosten einer unerwünschten Schwangerschaft verschafft hat, die Kehrseite des Spielfiebers von Oma Sugars.
    Das wiederum würde darauf hinweisen, dass vieles von dem – wenn auch nicht alles –, was ich an meiner Großmutter geliebt habe, nur eine Spielart der psychischen Verfassung war, die meine Mutter zu einem derartigen Albtraum werden ließ. Diese Vermutung verstört mich einerseits aus Gründen, die ich nachvollziehen kann, andererseits aber auch aus Gründen, die
mir erst klar sein werden, wenn ich noch weitere zwanzig Jahre lebe – falls ich das wirklich tue.
    Als ich sechzehn war, hat Pearl Sugars mir den Vorschlag gemacht, mit ihr auf Reisen zu gehen. Damals war ich schon zu dem geworden, der ich bin: zu einem Menschen, der Tote sieht, zu einem Seher mit gewissen Einschränkungen, aber auch mit einer Verantwortung, der ich nachkommen muss. Deshalb hatte ich keine andere Wahl, als das Angebot abzulehnen. Hätten es mir die Umstände erlaubt, mit meiner Großmutter von einem Spiel zum anderen zu reisen, von Abenteuer zu Abenteuer, dann hätte sich mir angesichts von Alltagsstress und ständigem Kontakt womöglich eine andere, weniger sympathische Frau gezeigt als die, welche ich zu kennen meinte.
    Trotz alledem: Ich muss einfach daran glauben, dass Oma Sugars die Fähigkeit zu echter Liebe besessen hat, eine Fähigkeit, die meiner Mutter fehlt, und ich muss glauben, dass sie mich wirklich geliebt hat. Wenn diese beiden Dinge nicht wahr sind, dann ist meine Kindheit eine einzige trostlose Einöde gewesen.
    Ohne diese beunruhigenden Gedanken verbannen zu können, fuhr ich durch Pico Mundo. Als ich an der Kirche des flüsternden Kometen ankam, passte meine Stimmung ausgezeichnet zu den toten Palmen, dem von der Sonne versengten Boden und den verlassenen, kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Gebäuden.
    Ich hielt vor der Wellblechbaracke, an der die vier Kojoten mich umzingelt hatten. Die Biester waren nirgendwo zu sehen.
    Im Allgemeinen gehen Kojoten in der Nacht auf Beutesuche. In der Mittagshitze suchen sie Schutz in kühlen, dunklen Höhlen.
    Auch die tote Prostituierte, die das Rudel verzaubert hatte, war nicht mehr da. Ich hoffte zwar, dass sie den Weg aus dieser
Welt gefunden hatte, zweifelte jedoch daran, dass mein unbeholfener Rat und meine platten Sprüche ihr dabei geholfen hatten.
    Zwischen den Dingen am Boden der Plastiktasche, die mir als Koffer diente, suchte ich nach der Taschenlampe, der Schere und dem Päckchen Feuchttücher in Folie.
    Als ich die Tasche in meiner Wohnung gepackt hatte, war mir die Idee, die Tücher – und erst recht die Schere – mitzunehmen, ziemlich merkwürdig vorgekommen. Intuitiv hatte ich aber offenbar genau gewusst, wozu ich sie später brauchen würde.
    Wir sind uns selbst gar nicht fremd; wir versuchen nur, es zu sein.
    Als ich aus dem Wagen stieg, verband sich die grimmige Hitze der Mojavewüste mit einer ebenso extremen Stille, einem fast vollkommenen Schweigen, wie man es sonst wohl nirgendwo anders findet als in dem mit Acrylharz fixierten Diorama einer Schneelandschaft.
    Meine Armbanduhr bezeugte, dass die Zeit nicht stillgestanden hatte – 11.57 Uhr.
    Die ausgedörrten, braunen Wedel zweier Phönixpalmen warfen ihre Schatten auf den staubigen Boden vor der Baracke, so als pflasterten sie nicht mir den Weg, sondern einem längst überfälligen

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