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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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sie erinnerte mich allzu sehr an meine Mutter.
    Danach habe ich nie wieder nach Cymry gefragt.
    Ich nehme an, dass irgendwo in einem Heim, durch Medikamente und andere humane Mittel gebändigt, eine Tante von mir lebt, die zumindest ein wenig so ist wie ich. Wahrscheinlich hat sie ihre besondere Gabe als Kind nicht so geschickt verborgen, wie ich es getan habe.
    Deshalb hat Oma Sugars wohl auch trotz ihrer ganzen Pokergewinne kein Erbe hinterlassen, von dem ich wüsste. Ich glaube, sie hat ein Treuhandvermögen errichtet, um Cymrys Pflege zu finanzieren.
    Im Lauf der Jahre hat mein Vater bestimmte Bemerkungen fallen lassen, denen ich entnehme, dass die merkwürdigen Talente, aus denen Cymrys sechster Sinn besteht, von einer körperlichen Mutation begleitet werden. Wahrscheinlich hat sie den Leuten nicht nur durch das Angst gemacht, was sie gesagt hat, sondern auch durch ihr Aussehen.
    In der Mehrzahl der Fälle hat ein Kind, das mit einer Mutation geboren wird, noch zwei oder drei weitere. Ozzie sagt – und zwar offenkundig nicht in seiner Rolle als Romancier –, dass eines von achtundachtzigtausend Babys mit einem sechsten Finger an einer seiner Hände geboren wird, genau wie er. Eigentlich müssten deshalb tausende solcher Menschen auf der Welt herumlaufen, aber wie viele sechsfingrige Hände habt ihr schon gesehen? Man stößt nicht darauf, weil die meisten dieser Babys bei der Geburt noch andere, schrecklichere Missbildungen haben, wegen deren sie schon im Säuglingsalter sterben.

    Jene sechsfingrigen Kinder, die das Glück einer robusten Gesundheit haben, werden normalerweise operiert, falls der überflüssige Finger entfernt werden kann, ohne die Funktion der Hand zu beeinträchtigen. Sie leben unter uns und gelten – in den Worten Little Ozzies – als fünffingrige Standardbürger.
    Ich nehme an, dass Ozzie sich das nicht aus den elf Fingern gesaugt hat, denn er ist stolz auf seinen sechsten Finger und sammelt allerhand Informationen über die – wie er sich ausdrückt – »geborenen Taschendiebe, die meinem überlegenen Schlag angehören«. Als weitere Mutation besitze er im Übrigen die Fähigkeit, gut und gleichzeitig schnell zu schreiben, wodurch er in erstaunlichem Tempo begeistert rezensierte Bücher auf den Markt werfen könne.
    Von Zeit zu Zeit träume ich von Tante Cymry. Es sind keine prophetischen Träume, sondern Träume voller Sehnsucht und Traurigkeit.
    Nun, um 12.21 Uhr, tag träumte ich von Cymry, war mir jedoch nur zu gut bewusst, wie die kostbaren Minuten verrannen. Ganz auf mein PMS vertrauend, erwartete ich, Officer Simon Varner entweder in der Nähe des Bowlingcenters vorzufinden oder an dem Multiplexkino, wo kurz nach eins der Hundefilm über die Leinwand flimmerte. Stattdessen wurde ich unerwartet zur Green Moon Mall geleitet.
    Was ich dort sah, war ungewöhnlich für einen Mittwoch im Sommer: ein voller Parkplatz. Das riesige Banner erinnerte mich daran, dass um zehn Uhr vormittags der Sommerschlussverkauf des Einkaufszentrums begonnen hatte, der das ganze Wochenende über lief.
    Welch eine Menschenmenge.

57
    Eine ganze Galaxie von Sonnen loderte auf den Windschutzscheiben der aufgereihten Limousinen und Geländewagen; sie schuf ein Lichtbeben, das meine blutunterlaufenen Augen erschütterte und mich zu blinzeln zwang.
    Am nördlichen und am südlichen Ende des Einkaufszentrums ragten dreistöckige Kaufhäuser auf. Die beiden Etagen zwischen diesen beiden Kolossen boten Raum für zahlreiche Läden und Boutiquen.
    Mein PMS zog mich zu dem Kaufhaus am Nordende. Ich fuhr um das Gebäude herum auf die Rückseite und parkte neben der breiten Rampe zu dem unterirdischen Ladebereich, wo die Waren angeliefert wurden.
    Drei Stellplätze weiter stand ein schwarz-weißer Streifenwagen. Kein Polizist in Sicht.
    Wenn das der Wagen Varners war, dann befand dieser sich bereits im Center.
    Meine Hände zitterten. Die Tasten auf meinem Handy waren zu klein. Um keinen Fehler zu machen, musste ich die Nummer der Eisdiele zweimal eingeben.
    Ich wollte Stormy sagen, sie solle sich sofort freinehmen, das Center durch den nächsten Ausgang verlassen, zu ihrem Wagen eilen und schleunigst wegfahren, irgendwohin, nur weg von hier.
    Noch während es läutete, legte ich auf. Vielleicht war es Stormy momentan gar nicht vorbestimmt, Varners Weg zu kreuzen, und wenn ich sie überredete, sich schleunigst aus dem
Staub zu machen, traf sie womöglich genau in dem Augenblick auf ihn, wo er seine Waffe zog und das

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