Anbetung
Alles hier ist schief, abblätternd, rostig und ausgebleicht, wenn auch nie völlig hoffnungslos, sodass man sich vorkommt wie in einer Dependance des Fegefeuers.
Hier scheint das Unheil aus dem Boden zu sickern, als lägen die Räumlichkeiten des Teufels im Hades direkt unter den
Straßen und als wäre sein Hochbett so nahe unter der Oberfläche, dass sein stinkender, schnarchend ausgestoßener Atem durch die Erde dringt.
Das Ziel des Pilzmanns war eine fahlgelbe, mit Stuck verzierte Casita mit einer Haustür in verblichenem Blau. Der Carport neigte sich gefährlich zur Seite und sah aus, als könnte er schon unter dem Gewicht des Sonnenscheins zusammenbrechen.
Ich parkte auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor einem unbebauten Grundstück voll ausgedörrtem Stechapfel und Ranken, die so kompliziert ineinander geflochten waren wie ein Traumfänger. Gefangen hatten sie allerdings nur zerknülltes Papier, leere Bierdosen und ein Objekt, bei dem es sich wahrscheinlich um ein zerfetztes Paar Boxershorts handelte.
Während ich die Fenster herunterließ und den Motor abstellte, beobachtete ich, wie der Pilzmann seine Eiskrem und die anderen Einkäufe ins Haus schaffte. Er benutzte dabei eine Seitentür im Schatten des Carports.
Die Sommernachmittage in Pico Mundo sind lang und glutheiß. Auf Wind ist kaum zu hoffen, auf Regen gar nicht. Obwohl meine Armbanduhr und die Uhr des Wagens übereinstimmend 16.48 Uhr anzeigten, lagen noch mehrere Stunden sengender Sonnenschein vor uns.
Am Morgen hatte der Wetterbericht eine Höchsttemperatur von dreiundvierzig Grad Celsius vorhergesagt, keineswegs ein Rekord für die Mojavewüste. Diese Vorhersage, vermutete ich, war aber wohl übertroffen worden.
Wenn in kühlem Klima lebende Verwandte und Freunde erstaunt auf solche Temperaturen reagieren, dann beschönigen die Einwohner von Pico Mundo die meteorologischen Gegebenheiten mit einem Trick, der der Werbebrache alle Ehre machen würde. Die Luftfeuchtigkeit, sagen sie, betrage nur fünfzehn bis
zwanzig Prozent, weshalb ein durchschnittlicher Sommertag nicht wie ein drückendes Dampfbad wirke, sondern wie eine erfrischende Sauna.
Obwohl mein Wagen im Schatten einer riesigen alten Lorbeerfeige stand, deren Wurzeln zweifellos tief genug reichten, um den Styx anzuzapfen, konnte ich trotzdem nicht so tun, als entspannte ich mich in der Sauna. Im Gegenteil, ich fühlte mich wie ein Kind, das ins Lebkuchenhaus einer Hexe geraten und in den Backofen gesteckt worden war – mit dem Regler auf der Stufe für Biskuitboden.
Gelegentlich fuhr ein Auto vorbei; Fußgänger hingegen tauchten nicht auf.
Nicht ein einziges Kind spielte draußen. Kein Hausbesitzer wagte sich hervor, um in seinem verdorrten Garten herumzuwerkeln.
Ein Hund schleppte sich mit gesenktem Kopf und heraushängender Zunge vorbei, als verfolgte er hartnäckig die Fata Morgana einer Katze.
Bald lieferte mein Körper die Feuchtigkeit, die der Luft fehlte, bis ich schließlich in einer Schweißlache saß.
Natürlich hätte ich den Mustang anlassen und die Klimaanlage einschalten können, aber ich wollte Terris Benzin nicht vergeuden und außerdem vermeiden, dass der Motor sich überhitzte. Wie zudem jeder Wüstenbewohner weiß, härtet wiederholtes Erhitzen und Abkühlen zwar manche Metalle, der menschliche Verstand jedoch wird dadurch aufgeweicht.
Nach vierzig Minuten tauchte der Pilzmann wieder auf. Er schloss die Seitentür des Hauses ab, was darauf hinwies, dass niemand mehr daheim war, und setzte sich hinters Lenkrad seines in Staub gehüllten Explorers.
Ich rutschte auf meinem Sitz unter die Fensterkante und lauschte, während der Geländewagen vorbeifuhr und eine Geräuschspur
hinterließ, die dahinschwand, bis es wieder ganz still war.
Während ich zu dem fahlgelben Haus hinüberging, war ich nicht über Gebühr darüber besorgt, durch eines der von der Sonne versilberten Fenster entlang der Straße beobachtet zu werden. Das Leben in Camp’s End führt eher zu Abschottung als zu dem Gemeinschaftsgefühl, das man zur Bildung einer Nachbarschaftswache brauchte.
Statt zu der blauen Vordertür zu gehen und mich dadurch ungebührlich ins Rampenlicht zu rücken, verschwand ich im Schatten des Carports und klopfte an die Seitentür, die der Pilzmann benutzt hatte. Niemand reagierte.
Wäre die Tür mit einem Schubriegel gesichert gewesen, hätte ich eines der Fenster aufstemmen müssen. Da ich mich jedoch lediglich einem Schnappschloss gegenübersah, war
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