Anbetung
in Richtung Wasserfall ging, begleiteten ihn zwei der Bodachs. Der dritte blieb vorläufig in der Eisdiele.
Ich stand auf. »Dann also bis zum Abendessen, du gruftiges Pin-up-Girl.«
»Sieh bloß zu, dass du lebendig aufkreuzt«, sagte Stormy. »Vergiss nicht, ich kann Tote nicht sehen.«
Ich ließ sie dort ganz rosa, weiß und hocherotisch zwischen tropischen Palmen und dem Duft verliebter Kois sitzen und folgte dem menschlichen Champignon zum Haupteingang des Einkaufszentrums und dann hinaus in den Sonnenschein, der so grell war, dass er mir fast die Hornhaut von den Augen schälte. Der bratplattenheiße Asphalt schien ein Grad kühler zu sein als die Gruben aus geschmolzenem Teer, die in ferner Urzeit die Dinosaurier verschluckt hatten. Die Luft föhnte schlagartig meine Lippen trocken und trug mir den Sommerduft der Wüstenorte zu, eine Mischung aus überhitzter Kieselerde, Kaktuspollen, Mesquiteharz, dem Sand seit langem ausgetrockneter
Meere und Auspuffgasen. Er hing in der unbewegten, trockenen Luft wie ein feiner Spiralnebel aus Mineralpartikeln, der durch Bergkristall schwebte.
Der staubige Ford Explorer des Pilzmanns stand in der Reihe hinter meiner, vier Stellplätze weiter westlich. Wäre mein paranormaler Magnetismus stärker gewesen, dann hätten wir Stoßstange an Stoßstange geparkt.
Der Pilzmann öffnete die Heckklappe des Geländewagens und stellte die Einkaufstaschen hinein. Zum Schutz der Eiskrem hatte er eine Kühlbox aus Styropor dabei, in der er die beiden Behälter nun behutsam unterbrachte.
Vor dem Aussteigen hatte ich vergessen, den reflektierenden Sonnenschutz hinter die Windschutzscheibe des Mustangs zu klemmen. Er lag gefaltet zwischen Beifahrersitz und Armaturenbrett. Infolgedessen war das Lenkrad jetzt viel zu heiß, um es anzufassen.
Ich ließ den Motor an, drehte die Klimaanlage auf und benutzte Rück- und Seitenspiegel, um den Pilzmann zu beobachten.
Glücklicherweise waren seine Bewegungen fast so langsam und systematisch wie das Wachstum von Mehltau. Als er rückwärts aus seinem Parkplatz fuhr, konnte ich ihm folgen, ohne Fetzen versengter Haut auf dem Lenkrad zu hinterlassen.
Wir hatten die Straße noch nicht erreicht, als mir auffiel, dass keiner der Bodachs den lächelnden Mann beim Verlassen des Einkaufszentrums begleitet hatte. Keiner befand sich momentan mit ihm im Wagen, und es schlich auch keiner hinterher.
Mittags hatte er den Pico Mundo Grill mit einem Gefolge von mindestens zwanzig Bodachs verlassen, deren Zahl bei seiner Ankunft in der Eisdiele auf drei geschrumpft war. Normalerweise hängen Bodachs mit inniger Treue an Menschen, von denen schreckliche Gewalt ausgehen wird, und verlassen sie nicht, bevor der letzte Tropfen Blut vergossen ist.
Ich fragte mich, ob der Pilzmann auch wirklich die bösartige Inkarnation des Todes war, für die ich ihn gehalten hatte.
Der See aus Asphalt glänzte von so viel aufgestauter Hitze, dass er nicht mehr Oberflächenspannung zu haben schien als Wasser, und doch durchquerte ihn der Explorer, ohne Kielwasser zu hinterlassen.
Trotz der Abwesenheit von Bodachs fuhr ich damit fort, mein Zielobjekt zu beschatten. Meine Schicht im Grill war vorüber, der restliche Nachmittag und der Abend lagen vor mir. Niemand ist rastloser als ein Grillkoch, der nicht recht weiß, was er mit sich anfangen soll.
9
Camp’s End ist kein eigener Ort, sondern ein Stadtteil von Pico Mundo, der eine lebendige Erinnerung an schwere Zeiten ist, während der Rest unserer Gemeinde einen Wirtschaftsboom erlebt. Hier ist der Rasen in den meisten Vorgärten verdorrt, teilweise auch durch Kies ersetzt. Die meisten der kleinen Häuser hätten neue Stuckatur, frische Farbe und einen Waffenstillstand mit den Termiten nötig.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden hier erstmals Hütten errichtet, von Abenteurern mit mehr Träumen als gesundem Menschenverstand, die von Silber und Gerüchten von Silber in die Gegend gelockt worden waren. Sie entdeckten reiche Adern von Letzterem.
Während die Schürfer mit der Zeit zur Legende wurden und nicht mehr leibhaftig zu finden waren, ersetzte man die verwitterten Hütten durch Cottages, schindelgedeckte Bungalows und spanische Casitas mit Rundziegeln.
Leider hat diese Erneuerungsphase sich in Camp’s End schneller als anderswo in Verfall verwandelt. Die Generationen kamen und gingen, aber das Viertel hat seinen angestammten Charakter beibehalten, eine Atmosphäre, die weniger Niederlage als matte Ausdauer ausdrückt.
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