Anbetung
abgehoben. Die Gesamtsumme der letzten beiden Monate betrug 58.000 Dollar.
Selbst mit seinem gewaltigen Appetit konnte er nicht so viel Eiskrem verschlingen.
Offenbar hatte er also doch kostspielige Neigungen, und der Luxus, den er sich gönnte, gehörte zu den Dingen, die man nicht offen mit Schecks oder Kreditkarten bezahlen konnte.
Als ich die Depotauszüge in die Schublade zurücklegte, spürte ich, dass ich zu lange an diesem Ort geblieben war.
Wahrscheinlich würde mich das Motorengeräusch des in den Carport rollenden Explorers auf Robertsons Rückkehr aufmerksam
machen, und dann konnte ich aus der Vordertür huschen, während er durch die Seitentür hereinkam. Wenn er jedoch aus irgendeinem Grund auf der Straße parkte oder zu Fuß nach Hause kam, dann saß ich womöglich in der Falle, bevor ich sein Kommen bemerkte.
McVeigh, Manson und Mohammed Atta schienen mich zu beobachten. Wie leicht ich mir vorstellen konnte, dass die stechenden Augen lebendig waren und nun vor boshafter Erwartung glänzten!
Ich blieb noch einen Moment, um die kleinen, quadratischen Seiten des Tischkalenders durchzublättern und nach Terminvereinbarungen oder anderen Notizen zu suchen, die Robertson in den vergangenen Wochen geschrieben haben mochte. Die dafür vorgesehenen Zeilen waren leer.
Nachdem ich zum aktuellen Datum – Dienstag, den 14. August – zurückgekehrt war, blätterte ich vorwärts in die Zukunft. Das Blatt für den 15. August fehlte. Danach enthielt der Kalender wieder keine Notizen, so weit ich mir die Mühe machte nachzuschauen.
Ich hinterließ alles, wie ich es vorgefunden hatte, stand vom Schreibtisch auf und ging zur Tür. Dort knipste ich die Deckenlampe aus.
Goldener Sonnenschein, von den messerförmigen Blättern des Teebaums zu Flammen zurechtgeschnitten, entzündete auf den dünnen Vorhängen ein falsches Feuer, ohne das Zimmer richtig zu erhellen. Um die Porträts der drei Mörder schienen sich die Schatten stärker zu sammeln als anderswo.
Mir kam ein Gedanke – was öfter vorkommt, als manche Leute meinen, und auf jeden Fall öfter, als es mir lieb ist –, worauf ich das Licht wieder anknipste und noch einmal zu den Aktenschränken ging. In der Schublade mit dem Buchstaben R sah ich nach, ob der Pilzmann zwischen den Dossiers über
Schlächter und Wahnsinnige auch eine Akte über sich selbst angelegt hatte.
Ich fand eine. Auf dem Etikett stand: ROBERTSON, ROBERT THOMAS.
Am praktischsten wäre es gewesen, wenn die Mappe Zeitungsausschnitte über ungelöste Mordfälle und dazu passende belastende Indizien enthalten hätte. Dann hätte ich mir nämlich alles einprägen, die Mappe zurücklegen und meine Erkenntnisse an Wyatt Porter melden können.
Mit diesen Informationen hätte Chief Porter sich eine Methode ausdenken können, Robertson eine Falle zu stellen. Dann hätten wir den fiesen Burschen hinter Gitter gebracht, bevor er die Möglichkeit hatte, das Verbrechen zu begehen, das er momentan womöglich plante.
Die Mappe enthielt jedoch nur ein einziges Objekt: das fehlende Blatt des Tischkalenders. Mittwoch, 15. August.
In die Zeilen für Notizen hatte Robertson nichts hineingeschrieben. Offenbar war das Datum für ihn schon allein bedeutsam genug, um als erster Inhalt der Akte zu dienen.
Ich sah auf die Armbanduhr. In sechs Stunden und vier Minuten trafen sich der 14. und der 15. August an ihrer mitternächtlichen Grenzlinie.
Und was würde dann geschehen? Irgendetwas. Etwas, was bestimmt nicht gut war.
Als ich ins Wohnzimmer zurückkam und die fleckigen Möbel, den Staub und die verstreuten Hefte und Bücher sah, staunte ich wieder über den scharfen Kontrast zwischen dem sauberen, ordentlichen Arbeitszimmer und dem Zustand anderswo im Haus.
Hier draußen, wo Robertson manchmal in derben Magazinen schmökerte und manchmal in Liebesromanen, die unschuldig genug waren, um von Pfarrersfrauen verschlungen zu werden,
scherte er sich offenbar nicht um vergessene Bananenschalen, leere Kaffeebecher und seit langem der Wäsche harrende Socken. Hier schien er unkonzentriert vor sich hin zu treiben, ein Mann ohne richtige Konturen, der an seiner Identität zweifelte.
Der Robertson hingegen, der im Arbeitszimmer an hunderten von Akten werkelte und der auf Websites surfte, die sich mit Serienkillern und Massenmördern befassten, wusste genau, wer er war – oder zumindest, wer er sein wollte.
14
Ich verschwand, wie ich hereingekommen war, also durch die Seitentür zwischen Küche und
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