Anbetung
Carport, kehrte aber nicht sofort zu dem Mustang zurück, den ich von Terri Stambaugh geborgt hatte. Zuerst ging ich hinters Haus, um mir den Garten genauer anzuschauen.
Der Rasen im Vorgarten war nur halb verdorrt, hier hinten aber war das Gras schon lange vollständig eingegangen. Offenbar hatte der gut gebackene Boden seit dem letzten Regen Ende Februar keinen Tropfen Wasser mehr empfangen, und das war jetzt fünfeinhalb Monate her.
Hätte der Besitzer wie John Wayne Gacy die Gewohnheit gehabt, seine Opfer – zerstückelt oder nicht – im Garten einzubuddeln, dann hätte er den Boden in einem Zustand erhalten, in dem man mit dem Spaten hineinkam. In dem Untergrund hier wäre selbst eine Spitzhacke abgebrochen, und ein mitternächtlicher Totengräber hätte sich einen Presslufthammer besorgen müssen.
Überdies bot der von einem Maschendrahtzaun ohne Ranken und Laubwerk umgebene Garten einem Mörder, der eine unbequeme Leiche auf den Armen trug, nicht den geringsten Schutz. Die Nachbarn hätten Gartenstühle aufstellen, ein Fass Bier anzapfen und die Verscharrung als makabres Schauspiel genießen können.
Falls Robertson tatsächlich bereits ein Serienkiller war und nicht nur ein reiner Möchtegern, dann hatte er seinen Garten anderswo angelegt. Ich vermutete jedoch, dass die Akte, die er
über sich selbst angelegt hatte, bisher vollständig war. Wahrscheinlich sollte seine Debütvorstellung morgen stattfinden.
Auf den runden Ziegeln der Dachkante hockte eine Krähe und beäugte mich. Sie klapperte mit dem orangefarbenen Schnabel und kreischte, als meinte sie, ich wollte ihr die knusprigen Käfer und die anderen kargen Köstlichkeiten wegnehmen, von denen sie sich in diesem ausgedörrten Revier ernährte.
Unwillkürlich dachte ich an Edgar Allan Poes unheilvollen Raben, der auf dem Türsims hockt und immer nur ein einziges Wort wiederholt: nimmermehr, nimmermehr.
Wie ich so dastand und in die Höhe blickte, erkannte ich nicht, dass die Krähe tatsächlich ein Omen war und Poes berühmtes Gedicht der Schlüssel dazu. Hätte ich damals schon begriffen, dass diese schrille Krähe mein Rabe war, so hätte ich in den folgenden Stunden ganz anders gehandelt, und Pico Mundo wäre immer noch ein Ort der Hoffnung.
Ohne die Bedeutung der Krähe erkannt zu haben, ging ich zum Mustang zurück, wo ich Elvis auf dem Beifahrersitz vorfand. Er trug Bootsschuhe, beige Freizeithosen und ein Hawaiihemd.
Alle anderen Geister aus meiner Bekanntschaft sind in ihrer Garderobe auf die Kleidung beschränkt, die sie zum Zeitpunkt ihres Todes getragen haben.
Mr. Callaway zum Beispiel, mein Englischlehrer aus der Highschool, ist auf dem Weg zu einem Kostümfest gestorben, verkleidet als ängstlicher Löwe aus dem Zauberer von Oz . Weil er ein kultivierter Mensch mit angeborener Würde und Haltung gewesen war, fand ich es deprimierend, ihm in den Monaten nach seinem Tod mehrfach in seinem billigen Plüschkostüm zu begegnen, mit herabhängenden Schnurrhaaren und über den Boden schleifendem Schwanz. Ich war sehr erleichtert, als er sich endlich von dieser Welt löste und weiterzog.
Elvis Presley hingegen stellt im Tod seine eigenen Regeln auf, wie er es schon im Leben getan hat. Er scheint in der Lage zu sein, jedes Kostüm herbeizuzaubern, das er auf der Bühne oder im Film getragen hat, und außerdem alle Kleider, die er privat anhatte. Jedes Mal, wenn er mir erscheint, ist er anders ausstaffiert.
Ich habe gelesen, er sei in seiner Unterwäsche oder im Schlafanzug gestorben, nachdem er eine unvernünftige Menge Schlafmittel und Antidepressiva geschluckt habe. Manche Quellen behaupten, er habe außerdem einen Bademantel getragen, andere wiederum, das sei nicht der Fall. Mir ist er nie in einem derart lässigen Aufzug erschienen.
Auf jeden Fall hat man ihn tot in seinem Badezimmer in Graceland gefunden, unrasiert und mit dem Gesicht in einer Lache seines Erbrochenen liegend. Das steht im Bericht des amtlichen Leichenbeschauers.
Glücklicherweise begrüßt er mich immer glatt rasiert und ohne einen Bart aus Kotze.
Als ich mich nun hinters Lenkrad setzte und die Wagentür zuzog, nickte er mir lächelnd zu. Sein Lächeln hatte etwas ungewöhnlich Melancholisches an sich.
Er streckte die Hand aus und tätschelte meinen Arm, offenbar, um Teilnahme, wenn nicht gar Mitleid auszudrücken. Das verblüffte mich und machte mir auch ein wenig Angst, eigentlich war mir nämlich nichts zugestoßen, was einen solchen Ausdruck des
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