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Anbetung

Anbetung

Titel: Anbetung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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von der Verwüstung mehr geschockt, als ich erwartet hatte.
    Ich stieg aus, stellte mich unter eine Lorbeerfeige, die in der sinkenden Sonne einen langen Schatten warf, und starrte bestürzt auf den gewaltigen Kadaver. Natürlich gehen alle Dinge auf dieser Erde irgendwann zugrunde, aber ein plötzliches, vorzeitiges Ende ist immer besonders traurig.
    Die vier Beine, Fetzen des zerplatzten Kopfs und größere Stücke des Rumpfs waren kreuz und quer über Rasen, Büsche und Gehweg verstreut. Einen besonders makabren Anblick bot das Euter, das umgedreht auf einem Pfosten des Lattenzauns gelandet war. Die Zitzen ragten in die Luft.
    Die schwarz-weiß gefleckte Holsteiner-Kuh, etwa so groß wie ein Geländewagen, hatte auf zwei sechs Meter hohen Stahlpfosten gestanden, von denen keiner bei der Explosion beschädigt worden war. Dort oben befand sich jetzt nur noch der Hintern der Kuh, der sich verschoben hatte: Er wies zur Straße, als wollte er den Passanten zeigen, was er von der Sache hielt.
    Unter der Kunststoffskulptur hatte früher ein Schild für das Steakhaus gehangen, das auf dem Grundstück gestanden hatte. Das Schild hatte Little Ozzie beim Bau seines Hauses nicht gerettet, nur das riesige Rindvieh.
    Für Ozzie war die Kuh nicht nur der größte Rasenschmuck der Welt gewesen. Sie war Kunst.
    Von den vielen Büchern, die er geschrieben hat, befassen sich vier mit Kunst, weshalb er wissen dürfte, wovon er spricht. Überhaupt: Nur weil Little Ozzie der berühmteste und am meisten geachtete Einwohner von Pico Mundo ist (jedenfalls was die Lebenden betrifft) und weil er ein Haus in Flats gebaut hat, als jedermann sonst damit rechnete, es werde auf ewig ein Glasscherbenviertel
bleiben, konnte er bei der Lokalbaukommission durchsetzen, die Kuh als Skulptur behalten zu dürfen.
    Als Flats dann allmählich nobler geworden worden war, hatten manche seiner Nachbarn – nicht die meisten, aber eine sehr lautstarke Minderheit – aus ästhetischen Gründen gegen die Riesenkuh protestiert. Vielleicht hatte jetzt einer von ihnen zu Gewalt gegriffen.
    Vorsichtig suchte ich mir einen Weg durch die scharfkantigen Stücke Kuhkunst und erklomm die Stufen zur Veranda. Noch bevor ich läuten konnte, öffnete sich die breite Tür. Dahinter ragte Ozzie auf. »Ist es nicht absolut erbärmlich, Odd, was irgendein Banause da verbrochen hat?«, begrüßte er mich. »Nun ja, ich finde Trost in folgender Sentenz: ›Kunst ist langlebig, und Kritiker sind Eintagsfliegen.‹«
    »Shakespeare?«
    »Nein. Randall Jarrell. Ein großartiger Dichter, der inzwischen fast vergessen ist, weil man an der Universität heutzutage nur noch Dünkel und Daumenlutschen lehrt.«
    »Ich räume die Reste für Sie weg, Sir.«
    »Das wirst du nicht tun!«, sagte Ozzie. »Sollen die sich die Trümmer doch eine Woche, ja einen Monat lang anschauen, diese ›Giftschlangen, die sich am Zischen ergötzen‹.«
    »Shakespeare?«
    »Nein, nein. W. B. Daniel über die Kritiker. Ich lasse die Reste schon irgendwann wegräumen, aber der Arsch dieser wunderschönen Kuh bleibt als meine Antwort an diese Bomben legenden Philister da oben!«
    »Also war es eine Bombe?«
    »Eine ganz kleine, die jemand nachts an der Skulptur angebracht hat, mit einem Zeitzünder, damit diese ›Insekten, die sich bloß von Dreck und Gift und Geifer nähren‹, bei der Explosion fern vom Schauplatz ihres Verbrechens sein konnten.
Das war übrigens auch nicht von Shakespeare. Voltaire über die Kritiker.«
    »Sir, ich mache mir etwas Sorgen um Sie«, sagte ich.
    »Das brauchst du nicht, Junge. Diese Feiglinge haben kaum genug Mumm, um mitten in der Nacht zu einer Kunststoffkuh hochzuklettern. Das Rückgrat, einem Koloss mit so dicken Unterarmen wie meinen entgegenzutreten, haben die nicht.«
    »Von denen spreche ich gar nicht. Ich meine Ihren Blutdruck. «
    Little Ozzie hob einen seiner tatsächlich eindrucksvollen Arme zu einer wegwerfenden Geste. »Wenn du meine Masse hättest und dein Blut mit Cholesterinmolekülen gesättigt wäre, die so groß sind wie winzige Marshmallows, dann würdest du verstehen, dass ein wenig rechtschaffener Zorn zur rechten Zeit das Einzige ist, was deine Arterien davon abhält, endgültig zu verstopfen. Rechtschaffener Zorn und guter Rotwein. Hereinspaziert! Ich mache eine Flasche auf, und dann trinken wir auf die Vernichtung aller Kritiker, dieser ›erbärmlichen Brut von hungrigen Alligatoren‹.«
    »Shakespeare?«, fragte ich.
    »Um Himmels willen, Odd, der

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