Anbetung
schien unten warmes Licht.
An jedem einzelnen Erdgeschossfenster waren die Schattenformen von Bodachs in ihrer charakteristischen Haltung sichtbar: aufrecht, aber mit hochgezogenen Schultern. Sie schienen sich in einer unaufhörlichen, unruhigen Bewegung durch die Zimmer zu befinden, so als versetzte sie der Geruch nahenden Todes in eine heftige, fiebrige Erregung.
In verschiedenen Graden hatte diese lautlose Raserei das Verhalten der Wesen überall dort geprägt, wo ich sie seit meinem Weg zur Arbeit vor weniger als vierundzwanzig Stunden gesehen hatte. Die Intensität ihrer bösartigen Ekstase schürte mein Grauen.
In dieser verseuchten Nacht ertappte ich mich sogar dabei, wie ich argwöhnisch in den Himmel blickte und mich nicht gewundert hätte, Bodachs über das Firmament schwärmen zu sehen. Der Mond war jedoch nicht von Geisterflügeln verhüllt, und die Sterne strahlten unbehindert von Andromeda bis Vulpecula.
Weil Bodachs offenkundig keine Masse besitzen, dürfte die Schwerkraft eigentlich keine Wirkung auf sie haben. Trotzdem habe ich sie nie fliegen sehen. Trotz ihres übernatürlichen Charakters scheinen sie an viele, wenn auch nicht alle physikalischen Gesetze gebunden zu sein.
Als ich die Marigold Lane erreichte, sah ich erleichtert, dass die Straße, in der ich lebte, offenbar frei von diesen Bestien war.
Ich kam an der Stelle vorbei, wo ich Harlo Landerson in seinem Pontiac Firebird 400 angehalten hatte. Wie leicht hatte der Tag doch vergleichsweise begonnen.
Da der Mörder von Penny Kallisto nun bekannt war und keinen anderen Mädchen mehr Schaden zufügen konnte, hatte Penny ihren Frieden mit dieser Welt gemacht und war weitergezogen. Dieser Erfolg machte mir Hoffnung, das drohende Blutbad, das zahllose Bodachs in unsere Stadt gelockt hatte, verhindern oder wenigstens auf ein Mindestmaß begrenzen zu können.
Im Haus von Rosalia Sanchez brannte kein Licht. Sie geht immer früh zu Bett, weil sie immer schon vor der Dämmerung aufsteht, um möglichst bald zu hören, ob sie sichtbar geblieben ist.
Ich näherte mich der Garage nicht über die Einfahrt. Stattdessen schlich ich mich von einem Baumstamm zum anderen über den Rasen, um unentdeckt das Terrain zu sondieren.
Nachdem ich zu dem Schluss gekommen war, dass weder Robertson noch irgendein anderer Gegner im Garten lauerte, ging ich rund um die Garage herum. Auch dabei fand ich niemanden, sondern scheuchte nur ein erschrockenes Kaninchen von seinem üppigen Bett aus Liliengras auf. Als es an mir vorbeiflitzte, erreichte ich eine persönliche Bestleistung in der Disziplin »Senkrechter Hochsprung mit Luftschnapper«.
Während ich die Außentreppe zu meiner Wohnung hochging, beobachtete ich die Fenster über mir, um jede verräterische Jalousiebewegung wahrzunehmen.
Der Bart des Schlüssels scharrte leise über die Stifte im Schließzylinder. Ich löste den Riegel und öffnete die Tür.
Als ich das Licht anschaltete, sah ich als Erstes die Waffe. Eine Pistole.
Da ich mit Chief Porter befreundet und mit Stormy verlobt war, hätte ich den Unterschied zwischen einer Pistole und einem Revolver selbst dann gekannt, wenn meine Mutter mich nicht bei zahlreichen schrecklichen Gelegenheiten ausgiebig mit Schusswaffen vertraut gemacht hätte.
Die Pistole war nicht einfach auf den Boden geworfen worden; man hatte sie offenbar so sorgfältig arrangiert wie ein Diamantenkollier auf der schwarzen Samtauslage eines Juweliers. Das Lampenlicht verlieh ihr einen fast erotischen Charakter. Wer immer sie da hingelegt hatte, wollte mich dazu verleiten, sie in die Hand zu nehmen.
31
Meine Möbel vom Wertstoffhof (zu zerkratzt und schäbig, um den Anforderungen der Secondhandläden zu entsprechen, bei denen Stormy einkauft), meine säuberlich auf Regalen aus Ziegelsteinen und Brettern angeordneten Taschenbücher, meine gerahmten Poster von Quasimodo (dargestellt von Charles Laughton), Hamlet (dargestellt von Mel Gibson) und E. T. (aus dem gleichnamigen Film), drei fiktive Gestalten, mit denen ich mich aus unterschiedlichen Gründen identifiziere, der ewig lächelnde Papp-Elvis …
Von der offenen Tür aus, in der ich stand, sah alles genauso aus wie am Morgen, als ich zur Arbeit gegangen war.
Die Tür war verschlossen gewesen und ließ keinerlei Anzeichen für einen Einbruch erkennen. Auch ein zerbrochenes Fenster hatte ich beim Umrunden der Garage nicht gesehen.
Nun war ich hin und her gerissen. Sollte ich die Tür offen lassen, um jederzeit
Weitere Kostenlose Bücher