Ancient Blades 2 -Das Grab der Elfen
ersten Mal das Gesicht meiner Mutter zu erblicken oder Freunde wiederzusehen, die ich liebte und die vorangegangen sind … Sir Croy, bitte, nehmt meine Hände! Haltet mich fest, damit ich nicht in Versuchung gerate, zu früh in mein Schicksal zu springen!«
»Verdammte Scheiße!«, stieß Slag hervor und vergaß, dass er nicht fluchen wollte. Er packte die Elfenkönigin, um sie zurückzuhalten. »Das sind Eure …«
»Meine Vorfahren«, bestätigte sie. »Die Lebenskraft eines jeden Ältesten, der irgendwann einmal lebte, jedes Einzelnen von uns, der dahinschied – seine Erinnerungen, Träume, Gedanken, die Gestalt annahmen. Diese Masse bewahrt unsere Geschichte. Sie hält uns am Leben – sie gräbt die Tunnel, die ihr gesehen habt, und sie hat uns gelehrt, die Pilze zu züchten, das Fleisch und die Milch der Höhlenkäfer zu ernten. Ganz zu Anfang hat sie für uns sogar Nahrung gesammelt und uns gepflegt, wenn wir krank waren.«
Die Vorstellung, dass ihn dieses Zeug berührte, diese klebrige, schreckliche Substanz, erfüllte Malden mit Grauen. Sie sah weich aus, so wie tote Dinge weich sind, war bleich auf eine Weise, wie Leichen bleich sind. Die geronnenen Seelen von Millionen toter Elfen, die alle zu einer formlosen Masse zusammengerührt waren. Auf gewisse Weise war sie lebendig, aber genau das entfachte in Malden das Verlangen, sie zu töten. Wie man allerdings etwas so Großes und Eigenschaftsloses vernichten sollte, vermochte er nicht zu sagen. Das würde nicht einmal Mörget schaffen.
»Ohne ihre Hilfe wären wir schon vor Jahrhunderten ausgestorben«, sagte Aethil. Sie klang wie eine Frau, die voller Ehrfurcht in eine majestätische Schlucht blickt, oder wie eine Mutter, die ihrem Kind bei den ersten Schritten zusieht. Sie liebt dieses verdammte Ding, dachte er. Sie liebt es wirklich, weil es nicht nur eine Ansammlung von Erinnerungen ist. Es ist ihre Familie – ihr Vermächtnis und ihre geliebten Artgenossen, alles zugleich.
Malden bemühte sich, das alles durch ihre Augen zu betrachten. Er versuchte zu verstehen, was die Elfen von diesem Ding halten mussten, diesem schleimigen Retter. Es gelang ihm nicht.
Er wollte einfach nur, dass es starb.
Die unterschwellige Wirkung der Masse beeinflusste nicht nur Aethil. Auch Cythera schwankte und hielt sich den Kopf. Sie schien verzweifelt entkommen zu wollen, wich langsam zum Torbogen zurück. Während die Elfenmasse Aethil anzog, stieß sie Cythera ab. Vermutlich erkannte sie mit ihrer Haut die Magie. Vielleicht übte die Erscheinung auch einfach nur eine besondere Wirkung auf die Tochter einer Hexe aus. Malden ergriff ihren Arm, um sie zu stützen, und sie erwiderte seinen Blick. »Du erkennst es von seiner … des Barbaren … von der Beschreibung«, stieß sie hervor.
»Ja«, flüsterte Malden.
Es war Mörgets Dämon. Allerdings tausendmal größer, als der Barbar ihn beschrieben hatte.
Teile der Elfen – lediglich Tropfen der Substanz – klatschten auf die Empore. Einige wiesen einen Durchmesser von zehn Fuß auf. Sie zogen sich zu amorphen Klumpen zusammen, und die Gesichter unter der Haut drängten sich Aethil entgegen, bestürmten sie. Offensichtlich konnte die Masse kleine Teile von sich abtrennen, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Ein Ableger davon musste der Dämon gewesen sein, mit dem Mörget am Osthang des Weißwalles gekämpft hatte.
»Wir müssen gehen«, drängte Aethil. »Bitte, führt mich fort! Ich fürchte, keinen Schritt mehr allein tun zu können.«
Sie halfen ihr durch den Torbogen zurück in die Höhle mit den Stalaktiten. Sobald sie die Halle der Vorfahren verlassen hatte, schien sie sich rasch wieder zu erholen. Sie schenkte den Gefährten dankbare Blicke.
»Das musstet ihr sehen«, sagte sie leise. »Ihr musstet einfach sehen, wie schön die Vorfahren sind.«
»Aber warum denn, verdammte Pest?«, wollte Slag wissen.
Aethil sah zur Seite. »Die Entscheidung ist gefallen. Morgen werdet ihr euch alle zu ihnen gesellen. Ein unvorstellbares Privileg. Die ersten Menschen, die sich mit der Masse vereinigen! Ihr solltet dieses Schicksal mit fröhlichen Mienen willkommen heißen! Obwohl ich zugeben muss, dass ich euch vermissen werde, wenn ihr nicht mehr hier seid.«
Kapitel 85
»Zieht!«, rief Balint. Croy und Mörget zogen mit aller Kraft an den Seilen. Croys Arme fühlten sich so taub an wie ein Stück Holz, aber er befolgte den Befehl der Zwergin. »Zieht!«
Die Fässer schoben sich um einen Fuß weiter
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