Ancient Blades 3: Der Thron der Barbaren
den
stachelbewehrten Eisenkragen um ihren Hals. Mörget hatte
ihn höchstpersönlich angelegt, nachdem er ihr Leben geschont hatte.
»Ja«, sagte sie leise. Sie reichte ihm das Seilende.
Mörget eilte davon, um das Seil am Geschirr eines
Ochsengespannes zu befestigen. Die Tiere, die er aus der Steppe mitgebracht
hatte, waren haarig und groÃ. Sie konnten das Meer wegschleppen, wie man ihm versichert
hatte, falls man es hätte anketten können. Ihr Treiber senkte den Stock, und
sie setzten sich langsam in Bewegung.
»Du bist ein Bastard, weiÃt du das?«, rief Balint.
Mörget runzelte die Stirn, weil er sich nicht sicher
war, was sie damit meinte. Im Osten wurde nur selten geheiratet, und die
meisten Kinder waren Früchte der Leidenschaft und nicht der Ehe.
»Du weiÃt schon. Ein Hurensohn«, erklärte Balint.
Mörget hob die Schultern. Tatsächlich wusste er nur
wenig über seine Mutter. »Die Frau, die mich zur Welt brachte, war eine Unfreie
aus dem Norden. Als man mich ihr reichte, Augenblicke nachdem ich schreiend
diese Welt betreten hatte, wandte sie das Gesicht ab. Und dann starb sie.«
»Wenn ich so einen Klotz wie dich gebären müsste, wäre
mir auch nach Abkratzen zumute.«
»Seitdem ist der Tod meine Mutter«, erklärte Mörget.
Er kehrte dem rätselhaften Disput den Rücken und brüllte den Treiber an, seine
Bemühungen zu verdoppeln.
Das Seil, das Balint ihm gereicht hatte, führte in den
Tunnel, den sie drei Tage lang gegraben hatte. Das andere Ende war an einer
Reihe von Stützbalken unmittelbar unter der Mauer von Rotwehr sicher vertäut.
Sie hatte dort unten so gründliche Ausschachtungen vorgenommen, dass nur noch
die Stützen die Mauer hielten.
Die Ochsen zogen an dem straff gespannten Seil und
gruben die Hufe tief in den rötlichen Boden. Das Seil ächzte. Die Ochsen
brüllten. Falls das Seil rissâ⦠ah, aber plötzlich erschlaffte es, und die
Tiere eilten los.
Einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als sei das
Seil einfach gerissen, ohne etwas zu bewirken. Dann fühlte Mörget, wie der
Boden unter seinen FüÃen leise erbebte. Sehr gut â es war vollbracht.
Mörget wandte sich seinem Heer zu. Er hob Dawnbringer
über den Kopf, und alle Männer, wie betrunken sie auch sein mochten, griffen zu
ihren Waffen. »Jetzt!«, rief er, als ein tiefes Grollen aus dem Tunnel
aufstieg.
Die Barbaren stürmten brüllend der Mauer entgegen. Die
Verteidiger eilten verwirrt zu den Zinnen und spannten ihre Bogen. Eine
Pfeilsalve flog der Horde entgegen, Barbaren gingen zu Boden, und andere
trampelten über sie hinweg. Trotzdem rannte das Heer weiter lauthals brüllend
auf die unüberwindliche Stadtmauer zu. Die Männer hielten nicht einmal auf eins
der Stadttore zu â nur auf einen Abschnitt aus rotem Sandstein, als
wollten sie sich daran die Köpfe einschlagen.
Bevor sie die Mauer erreichten, war sie verschwunden.
Der Einsturz vollzog sich
in einer gewaltigen Kaskade herabstürzenden Mauerwerkes
und roten Staubs. Die Angreifer durchdrangen eine Wolke, obwohl sie vor Atemnot
keuchten und ihre Augen tränten, und stürmten
über einen Haufen loser Trümmer.
Darüber, was danach geschah, sprechen Zahlen deutlicher
als Worte.
Die Garnison von Rotwehr zählte weniger als
fünfhundert Männer. Selbst der am besten ausgebildete Sergeant in dieser
Kompanie war seit weniger als einem Jahr Berufssoldat und nahm die Stellung
eines Kommandierenden erst seit wenigen Monaten ein. Mindestens jeder dritte
Verteidiger kam beim Zusammenbruch der Mauer ums Leben.
In der Stadt selbst lebten fünftausend Seelen â
Arbeiter, Gelehrte, Kinder. Sie verteidigten sich nach Kräften mit sämtlichen
Werkzeugen und scharfen Essbestecken, die sie auftreiben konnten. Keiner von
ihnen hatte auch nur die geringste militärische Ausbildung genossen.
Gegen diese Streitkräfte traten zweitausend brüllende
Barbaren an, die alle gekämpft hatten, seit sie aus dem Mutterschoà geschlüpft
waren.
An diesem Tag waren die StraÃen von Rotwehr, deren
Pflastersteine sämtlich aus dem allgegenwärtigen roten Sandstein bestanden,
hellrot von Blut. Die Stadt war auf einem festen Damm mit einem breiten
Abflusskanal erbaut. Die Behauptung, der Strow sei an jenem Tag bis zum Meer
mit Blut übergequollen, war sicherlich übertrieben â
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