Ancient BladesDie Metropole der Diebe
vernünftig denken. Eigenlich konnte er überhaupt nicht denken. Die Schüssel war mit Wasser gefüllt gewesen, das jedoch im Sand auf dem Boden versickert war. Dafür musste der Sand gedient haben. Vielleicht konnte er die Bestie irgendwie dazu bewegen, die Mauer zu übersteigen und in den nahe gelegenen Fluss zu fallen – aber wie sollte er das anstellen, wenn er nicht einmal wusste, wie er sich selbst aus ihrem Griff befreien sollte?
Wasser! Er brauchte Wasser! Er …
Er hatte kein Wasser. Aber er hatte Wein dabei. Die Feldflasche an seinem Gürtel war noch halb voll. Würde der Wein die gleiche Wirkung auf das Geschöpf ausüben? Malden war sich nicht sicher.
Die Kreatur war noch größer geworden. Sie füllte mitlerweile das Turmzimmer aus und quetschte Malden mit ihrer Masse gegen die Wand. Die umherschwingenden Tentakel zertrümmerten die Steine – die Tentakel waren nun so dick wie Baumstämme. Würde die Bestie weiterwachsen, könnte sie gar die Turmmauern sprengen. Und falls die oberen Stockwerke über ihr zusammenbrachen – würde das ausreichen, um sie zu zermalmen?
Malden bezweifelte es. Aber eines wusste er mit Bestimmheit: Er selbst würde einen derartigen Einsturz nicht überleben.
Für weitere Gedanken blieb keine Zeit mehr. Malden griff an dem Tentakel um seine Taille vorbei nach der Feldflasche mit dem Wein. Sie war aus Leder gefertigt, die Säume waren mit Wachs behandelt, um sie wasserdicht zu machen. Es schwappte, als er sie hochhielt. Mit der Ahle stach er darauf ein. Wein spritzte aus dem Loch, rote Tropfen rannen ihm über den Handrücken.
Ein Tropfen landete auf der Haut der Bestie. Der Arm, der Malden umklammert hielt, pulsierte wild. Er wurde kräftig durchgeschüttelt, aber der Griff um seinen Leib lockerte sich etwas. Ja! Der Wein hatte eine gewisse Wirkung auf das Ungeheuer. Er hielt die Flasche an den Tentakel und drückte so fest wie möglich, verspritzte Wein auf das wulstige Fleisch.
Plötzlich strömte wieder Blut in seine Beine, und er verspürte ein Brennen. Seine Eingeweide entspannten sich. Er musste aufstoßen, und fast hätte er den Mageninhalt von sich gegeben. Erneut drückte er die Flasche zusammen, und dann war er frei, flog durch die Luft, als hätte der Dämon ihn wie einen Ball durch den Raum geworfen.
Die Turmwand raste auf ihn zu. Um ein Haar wäre er kopfüber dagegengestoßen. Gerade noch rechtzeitig riss er die Arme hoch und schaffte es, den Aufprall mit seinen wunden Fingern abzufangen und sich festzuhalten.
Unter ihm tobte die Bestie; ihre zuckenden Tentakel peitschten gegen die Wände. Stein wurde pulverisiert und zerbrach. Ein breiter Spalt öffnete sich in der Wand, dann verschwand ein ganzes Stück der Turmmauer und ließ einen Strom kalte Nachluft herein.
Die Tentakel griffen nach Maldens Knöchel und Rücken, aber sie waren langsam, und er konnte ihnen enkommen. Seine größte Sorge galt dem Umstand, dass die Kreatur nun so groß geworden war, dass der Raum zum Bersten ausgefüllt war. Malden musste sich an der Mauer feskrallen, um von dem massiven Körper nicht zerquetscht zu werden.
Ein weiteres Stück Mauer bröckelte. Der Turm ächzte, als die Stützbalken in Bewegung gerieten und das Gewicht nicht länger halten konnten. Der Turm, der so viele Jahrhunderte gestanden hatte, der als Bauwerk für die Ewigkeit erschien, schwankte jetzt wie ein Schiff im Sturm. Gleich würde der Raum in sich zusammenbrechen und Malden zerschmettern. Anscheinend war er einem grausamen Schicksal enkommen, nur um einem noch schlimmeren anheimzufallen. Und doch …
Malden blickte nach unten und entdeckte, dass er sich ganz in der Nähe der Sadustatue befand, mit deren Hilfe er Eingang in diesen Raum gefunden hatte. Die Kreatur hatte offenbar genug Achtung vor ihrem Schöpfer, um das Idol nicht zu zerschmettern; sie berührte es nicht einmal. Malden wartete, bis die Tentakel so weit wie möglich von ihm entfernt waren, dann ließ er sich neben der Statue zu Boden fallen. Er verschwendete keine Zeit und drückte den Hebel, der die Tür in Gang setzte.
Boden und Wand gerieten in eine Drehbewegung, und Malden war drauf und dran, sich in den Korridor zu werfen. Die Wand drehte sich, Strahlen des Mondlichts drangen von der anderen Seite herein – und die Drehung hörte auf.
Der Grund dafür war sofort ersichlich. Die Masse der Bestie drückte gegen die Wand und verhinderte ein Enkommen. Malden warf sich dagegen und wollte sie aufzwingen, versuchte die Schulter
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