Ancient BladesDie Metropole der Diebe
existierte, an dessen Spitze ein Monarch stand, der der Stadt ihre Privilegienurkunde verliehen und den Urahn des Burggrafen als uneingeschränkten Herrscher eingesetzt hatte. Bisher hatte Malden keine Steuern an diesen König gezahlt und ihn erst recht noch nicht zu Gesicht bekommen. Selbst das Anlitz, das in die wertvolleren Münzen der Freien Stadt eingeprägt war, gehörte nicht diesem König, sondern einem seiner fernen Vorfahren. Innerhalb der Stadtmauern verkörperte der Burggraf die einzige Macht, die zählte, und Malden kümmerte sich nicht die Bohne um jene, die es außerhalb noch geben mochte.
Der Burggraf herrschte durch die Autorität, die ihm die Krone verlieh. Ein Dieb, der die Krone stahl, hinterließ die Botschaft, dass diese Autorität keineswegs unantasbar war. Dass in der sogenannten Freien Stadt Ness jeder Mann verletzlich war, und letzlich niemand etwas Besseres darstellte.
Irgendwie gefiel Malden diese Vorstellung. Er war als der Sohn einer Hure aufgewachsen, als Mann ohne den geringsten sozialen Status. Ein Mann, der nicht einmal respektabel genug war, um den Abort des Burggrafen zu putzen. Dass er so einen Schlag austeilen konnte, war ein gewaltiger Triumph für die Gleichheit aller Menschen. In gewisser Weise würde es gerecht sein. Natürlich würde niemals jemand erfahren, dass ihm dieser Diebstahl gelungen war, was eigenlich schade war.
Was den Burggraf betraf – wie viel würde der bezahlen, damit der Diebstahl ein Geheimnis blieb? Höchstwahrscheinlich war das der eigenliche Sinn des Unternehmens. Der Burggraf sollte erpresst werden. Mit Sicherheit ein gefährlicher Plan, einerlei, was Bikker behauptete, aber er fand dennoch Maldens Zustimmung.
Jetzt war er nahe genug, um die Krone an sich zu nehmen. Das Turmzimmer stand so gut wie leer. An den Wänden hingen alte Schlachtenbanner und zerfledderte Fahnen. Der Boden war mit Sand bestreut, der unter Maldens Füßen knirschte. Es gab nur ein einziges Möbelstück, genau in der Mitte: ein schlichtes Steinpodest, auf dem eine drei Fuß durchmessende Kristallschüssel ruhte.
Die Schüssel war bis zum Rand mit klarem Wasser gefüllt. In der Schüssel lag die Krone, von der Krümmung des Glases seltsam vergrößert. Und noch etwas anderes.
Cyhera hatte Malden einen letzten Rat mit auf den Weg gegeben, als sie den Einbruch planten. »Natürlich wird solch ein Schatz immer bewacht sein. Man lässt ihn nicht unbeaufsichtigt. Aber ich bezweifle, dass du menschliche Wächter in dem Gemach findest. Aller Voraussicht nach wird es irgendein verfluchtes Tier oder gar ein Dämon sein, der gezwungen ist, die Krone zu verteidigen. Solch eine Kreatur wird vielleicht das größte Hindernis sein, das du bezwingen musst.«
»Hast du das gemeint?«, flüsterte Malden und beobachtete, wie sich das Wesen in dem engen Gefängnis der Schüssel bewegte. Es war aufgedunsen, hatte aussätzig wirkende Haut und knochenlose, lange Tentakel. In gewisser Weise besaß es Ähnlichkeit mit einem Oktopus, aber Malden konnte weder einen Kopf noch Saugnäpfe an den Armen entdecken. Vielleicht ein besonders beweglicher Seestern.
Malden hätte ihn leicht in einer Hand halten können. Während er zusah, wand sich die Kreatur durch die Krone und wickelte einen Arm um den Reifen. Der Dieb verspürte eine gewisse Angst (was nach der Begegnung mit der Fallgrube im Korridor durchaus verständlich war) und war darauf gefasst, dass das Tier möglicherweise ein tödliches Gift verspritzte. Oder es hatte Zähne, scharf genug, ihm den Finger abzubeißen, sollte er dumm genug sein, mit bloßer Hand in die Schüssel zu greifen.
Er hatte einen besseren Einfall. Er nahm den Haken vom Gürtel und wickelte ein Stück Seil ab. Dann tauchte er ihn in die Schüssel und fischte nach der Krone. Die knochenlose Kreatur attackierte sofort den Haken, griff mit allen Gliedern danach und zerrte so wild an dem Eindringling, dass die Schüssel auf dem Podest hin und her schwankte. Malden versuchte den Haken freizuschütteln, aber der Griff des kleinen Ungeheuers war so hart wie Stahl. Mit ihm zu kämpfen, verstärkte nur noch die Bewegung der Schüssel.
»Lass endlich los, du Biest!«, grunzte Malden und riss an dem Haken. Er löste sich – nicht ohne die Schüssel von dem Podest zu reißen. Sie krachte mit so lautem Klirren zu Boden, dass bestimmt die Hälfte der Wächter des Schlosshügels alarmiert worden waren.
Malden hielt den Atem an. Schloss die Augen, um besser hören zu können. Kein Ruf
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