Ancient BladesDie Metropole der Diebe
Schutz. Malden war froh, den Jungen an seiner Stelle geschickt zu haben.
Die Wächter umringten den ungebetenen Besucher und zwangen ihn auf die Knie. Er streckte die Hände über den Kopf, als man ihm einen Speer ins Kreuz stieß. Malden hörte ihn seine Botschaft hervorwinseln, jene Botschaft, die ihn Malden mehrmals hatte üben lassen, um jedes Wort richtig hinzubekommen.
Ihr habt mir nie gesagt, dass sie sprechen kann, lautete die Botschaft. Wir drei wollen uns um Mitternacht treffen, am Gottsteinplatz.
Diese Botschaft zu schicken, war ein Risiko. Jemand konnte lauschen – ein Angehöriger der Wache oder ein anderer Feind. In diesem Fall hätte er ihnen Zeit und Ort verraten, an dem man ihn mühelos ergreifen könnte. Hoffenlich waren die Worte unverfänglich genug, um jeden zu verwirren, der die Einzelheiten der Geschehnisse nicht kannte.
Man ließ den Jungen einigermaßen unbehelligt laufen. Die Männer hielten ihn zwar grob fest, aber sie brachen ihm für seine Unverschämheit nicht die Knochen. Sobald er auf der anderen Torseite war, rannte er sofort in Richtung Stinkviertel, machte sich nicht einmal die Mühe, bei Malden seine Belohnung abzuholen. Vielleicht hatte er es in seiner Angst vergessen. Malden grub in dem weichen Erdboden unter dem Busch, hinter dem er den Räuber entdeckt hatte. Dort versteckte er die Keule, die Flasche und drei Pfennige, alles in das dreckige Tuch gewickelt. Wenn der Junge tapfer oder schlau genug war, seine Sachen wiederzuholen, hatte er sich das Geld wahrhaftig verdient.
Dann floh Malden in die Nacht hinein, lief oben auf der Mauer des Göttinnengartens den Weg zurück, den er gekommen war. Es gab viel vorzubereiten.
Die Tatsache, dass sein geheimer Arbeitgeber ein Meister der arkanen Wissenschaften war, bereitete ihm große Sorgen, aber nicht annähernd so große wie Bikker. Als er den Palast betreten hatte, hatte der große Schwerkämpfer als Ablenkungsmanöver einfach zwei Männer getötet. Malden hegte nicht den geringsten Zweifel, dass Bikker auch bereit wäre, ihn zu töten. Entweder wollte der Krieger das Gold für sich behalten – oder er wollte den Dieb auf einfachste Weise zum Schweigen bringen. Als Malden den Auftrag angenommen hatte, hatte er ihn für kaum mehr als einen Streich gehalten. Die Krone würde eben durch ein Duplikat ersetzt, und niemand würde je davon erfahren – der Burggraf würde, um jede Peinlichkeit zu vermeiden, den Diebstahl nicht einmal öffenlich zugeben.
Aber die Voraussetzungen hatten sich geändert. Die Krone war verzaubert und somit viel wichtiger als ein kunstvoll bearbeiteter Goldklumpen. Der Burggraf würde sie zurückhaben wollen und vor so gut wie nichts zurückschrecken, um dies zu ermöglichen. Bikker und sein Meister würden vollständige Geheimhaltung bewahren wollen, und das ließ sich nur sicherstellen, indem man Malden die Kehle durchschnitt und seine Leiche in den Fluss warf.
Malden seufzte, als er auf der Mauer enlanglief. Niemand hatte je behauptet, dass sein neues Leben als wagemutiger Einbrecher einfach wäre. Er erreichte eine Mauerecke und ließ sich zur Straße hinunter, einer im Schatten liegenden Gasse, die zu einem Häuserblock im Stinkviertel führte. Es gab noch immer Möglichkeiten, wie er sein Gold bekam und am Leben blieb, aber dazu war genaue Planung nötig und …
»Einen Moment, bitte«, sagte jemand in der Dunkelheit.
Malden blieb das Herz stehen, aber nur einen Moment lang. Er hatte keinen Verfolger entdecken können, hatte sich in Sicherheit gewähnt. Wer konnte das sein?
Wer auch immer es war, er wollte ihn nicht kennenlernen.
Er sprang auf eine Hauswand zu. Der Dachvorsprung warf einen tiefen Schatten auf die Straße darunter – dort konnte er sich verbergen. Er reagierte nicht auf den Ruf. Er atmete nicht einmal. Er überlegte sogar, die Augen zu schließen, damit sie nicht in einem verirrten Strahl des Sternenlichts glitzerten – aber nein. Er musste sehen, wer da auf ihn zukam.
»Ich habe nicht die Absicht, Euch etwas anzutun«, sagte die Stimme.
Grelles Licht flammte rings um Malden auf. Der andere musste eine abgedunkelte Laterne halten und die Abdeckung plötzlich zurückgeschoben haben. Einen Augenblick lang konnte Malden nichts sehen, und seine an die Dunkelheit gewöhnten Augen brannten vor Schmerz. Er schlug sich den Umhang vors Gesicht und warf sich nach links, in der Absicht, dem Lichtschein zu enkommen …
… und spießte sich beinahe auf einer Schwertspitze auf.
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