Ancient BladesDie Metropole der Diebe
eine Antwort erfordere. Das würde Vry veranlassen, ohne Zögern die Tür zu öffnen.
Aber bevor er klopfte, hielt er inne, lauschte einen Augenblick lang – und hörte hinter der Tür eine Unterhaltung, die seine Aufmerksamkeit erregte.
»Zieht das an! Die Leute erwarten von Euch, dass Ihr das Gewand tragt.« Das war die Stimme von Anselm Vry, da gab es keinen Zweifel.
Die andere Stimme erkannte Croy nicht. Sie gehörte einem erwachsenen Mann, wies aber einen kindlichen Trotz auf – und zur gleichen Zeit eine gewisse Leere, als sei der Besitzer der Stimme schwer krank oder gar ein Geist.
»Du kannst mich nicht dazu zwingen. Du kannst mich zu gar nichts zwingen. Ich bin von ihr befreit.«
»Wenn Ihr das Gewand nicht tragt«, erwiderte Vry ärgerlich, »dann könnt Ihr nicht in der Öffenlichkeit erscheinen. Ich werde Euch in Eurem Raum einschließen müssen. Und dann werden wir ja sehen, wie frei Ihr seid.«
»Ich bin frei. Ich bin frei! Jede Nacht, wenn sie sie wegbrachten – jede Nacht träumte ich. Ich träumte hiervon! Und als man sie mir am Morgen wieder brachte, da weinte ich. Du wirst … du wirst sie doch nicht wieder zurückbringen, oder? Versprich es mir!«
»Ich verspreche es. Und jetzt zieht das Gewand an. Und hört auf zu jammern. Das steht Euch nicht zu. Nach dem Göttinnenfest wird alles anders sein, träumt davon.«
Es reichte. Croy hatte noch nie zuvor heimlich gelauscht. Klatsch konnte er nicht ausstehen, genauso wenig wie die Geheimnisse anderer Leute zu erfahren. Er klopfte. »Eine Botschaft für Euch, Euer Ehren«, sagte er mit fester Stimme. »Aus der Gildenhalle.«
»Verdammt – was wollen die Krämer denn schon wieder von mir?«, fragte Vry hinter der Tür. Schritte näherten sich, und Croy trat zurück. Vry schob den Kopf durch die geöffnete Tür und streckte eine langfingerige Hand aus. »Gib schon her und verschwinde!«
Croy packte die Hand und zog den Vogt in den Korridor. Vry setzte an, nach seinen Männern zu brüllen, aber Croy schlang ihm einen Arm um den Hals und drückte zu.
»Seid Ihr gekommen … um mich umzubringen, Croy? Das scheint nicht … Eure Art zu sein«, stieß Vry mit Mühe hervor, als Croy den Druck auf seine Luftröhre verstärkte.
»Mir fiel keine andere Möglichkeit ein, eine Audienz bei Euch zu erwirken, Anselm. Nein, ich bin genau aus dem erwähnten Grund hier – um eine Nachricht zu überbringen, wenn auch nicht von den Gildenmeistern. Werdet Ihr mir zuhören, wenn ich Euch loslasse? Ich habe Neuigkeiten von entscheidender Bedeutung für Euch.«
»Ich höre zu«, würgte Vry hervor. Croy ließ ihn los. »Ich höre zu, dann lasse ich Euch verhaften. Wie habt Ihr es geschafft, hier hereinzukommen? Und wie könnt Ihr erwarten, mit dem Kopf auf den Schultern wieder hinauszugehen? Welche Nachricht könnte so wichtig sein, dass Ihr dafür Euer Leben riskiert?«
»Der Zauberer Hazoh hat Eure Krone«, sagte Croy.
»Was? Wovon redet Ihr?«
Croy schüttelte den Kopf. »Ihr braucht mir nichts vorzuspielen. Ich weiß alles. Und Ihr nun auch. Die Krone ist in Sicherheit, versiegelt in einem Bleikasten in Hazohs Sanktum. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was er damit will. Und jetzt muss ich gehen.«
»Ihr habt recht«, erwiderte Vry. »Das sind entscheidende Neuigkeiten. Ihr werdet mir wohl nicht verraten, wie Ihr darangekommen seid, oder?«
»Ich habe Geheimhaltung geschworen«, sagte Croy.
»Natürlich, natürlich. Hazoh.« Vry tippte sich gegen die Unterlippe. »Was meint Ihr, schafft Ihr es, ihm die Krone abzunehmen?«
»Allein? Nein. Aber Ihr könnt doch sicherlich genügend Truppen zusammenziehen, um sie ihm zu entreißen, oder nicht?«
»Vermulich. Ich schulde Euch meinen Dank, Croy.« Der Vogt hieb ihm auf die Schulter. »Ich wünschte nur, ich könnte diese Schuld auch begleichen. Aber Ihr wisst, dass das Wort des Burggrafen Gesetz ist, und er hat Euren Tod befohlen. Was könnte ich für Euch tun, das seiner Entscheidung nicht widerspräche? Euch zu begnadigen, liegt nicht in meiner Macht, so gern ich das auch täte.«
»Lasst mir einfach nur einen Vorsprung. Wartet fünf Minuten, bevor Ihr die Wächter ruft. Das reicht schon. Ach, und Anselm?«
»Ja?«, fragte der Vogt.
»Ihr solltest wirklich besser aufpassen, wer durch Eure Tore kommt und geht.« Croy grinste breit und verneigte sich tief. »Ich diene noch immer dem Burggrafen«, sagte er. »Und ich habe nur meine Pflicht erfüllt.«
Und dennoch – die Worte fühlten sich
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