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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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machte mit den Händen eine versöhnliche Geste. »Nur ein paar allgemeine Fragen. Wie zum Beispiel, wo Sie geboren sind.«
    »In einem Dorf nahe Bukarest. Ich möchte die Antwort auf meine Frage mit den Tests hören.«
    »Wie alt sind Sie?« beharrte Harper.
    Das leise Heben und Senken ihrer Schultern verriet, daß Drake unhörbar seufzte. Sie wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. »Achthundertzweiundzwanzig«, antwortete sie. »Wenn ich von mir sprechen will, tue ich das. Ich will es nicht.«
    Dann will ich es auch nicht , wollte Harper erwidern. Aber der Wunsch nach einer Wiederholung dessen, was diese Frau ihr letzte Nacht vermittelt hatte - das neue und beglückende Gefühl, daß jemand sich wirklich für sie interessierte -, war zu stark.
    Sie beantwortete Drakes Frage und noch viele andere über ihre Ausbildung, bis sie dann tief in der Nacht von Drake zu Bett geschickt wurde. Und wieder fühlte sie sich körperlich und emotional erschöpft von der Anstrengung, deren es bedurfte, die vielen Einzelheiten ihres Lebens Wiederaufleben zu lassen.
    In den nächsten Wochen entwickelte Harper eine tägliche Routine: Sie erledigte die geforderten Systemkontrollen und sandte Standardberichte zum Space Service Trade Liaison-Hauptquartier; sie nahm ihre Mahlzeiten ein und machte ihre Fitneßübungen; sie tauschte Nachrichten mit Niklaus aus und verweilte auf dem Aussichtsdeck. Und die ganze Zeit über wartete sie ungeduldig auf den Moment, in dem Drake im Speiseraum erscheinen und wieder einen Abend lang intensive Gespräche folgen würden.
    Harper gestand sich ein, daß diese Abende mit Drake für sie zu einer Sucht geworden waren. Ja schlimmer, mit jedem Abend wurde sie tiefer in den Bann von Drakes körperlicher Anziehungskraft gezogen, was, so vermutete Harper, in ihrer androgynen Schönheit begründet lag. Aber war der Grund letztendlich nicht unwichtig? Sie war betört von der blassen, harmonischen Schönheit dieses Gesichts, von der Intelligenz jener Augen, die jedes einzelne Wort von ihr aufzusaugen schienen.
    Es war absurd. Hoffnungslos. Und erniedrigend. Ganz zu schweigen vom Widersinn der Situation. Drake hatte stundenlang Harpers Erzählungen gelauscht und doch nicht ein Quentchen von sich selbst preisgegeben. Die boshaften Spekulationen über Drakes nicht vorhandene Sexualität, denen Harper sich noch vor einem Monat hingegeben hatte, schienen nur allzu berechtigt: Allein Musik und die Schönheit der Galaxie entlockten Drake eine sinnliche Reaktion. Harper sehnte sich danach, Drakes ernstes Gesicht zu berühren und die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, die ihre eigene Person umgab. Aber sie kam Drake nicht näher als den Sternen jenseits der Panoramafenster. Und gleich jenen Sternen zog Drakes strenge Schönheit alles an, um es beim Näherkommen unweigerlich zu verbrennen ...
    Es waren kaum ein paar Wochen vergangen, und nur selten dachte sie noch an Niklaus, die täglichen Botschaften waren bloß noch Ausdruck des Pflichtgefühls. Sie tröstete sich damit, daß er am Ende dieser Reise treu und liebevoll für sie da sein würde, während Drake für immer verschwunden wäre, ein Teil des kaltleuchtenden Sternenhimmels ...

    Die romantischen Klänge eines Flötenkonzerts erfüllten das Aussichtsdeck. Harper saß wartend auf dem Sofa. Sie starrte Drake an, die sich im Sessel niedergelassen hatte und, die Hand aufs Knie gestützt, fasziniert die spektakulären Farben der spiegelnden Nebelflecken betrachtete, die über einem weiten, offenen Sternhaufen leuchteten - jenes Sternsystem, das Harper den ganzen einsamen Nachmittag über beobachtet hatte. Schließlich wandte Drake ihren Blick von dem Fenster ab, und Harpers Hochgefühl bezeugte, daß der Abend nun begann.
    »Erzählen Sie mir von Ihren Freunden«, sagte Drake, stand auf und machte ein paar Schritte auf sie zu. »Wie sind sie?«
    »Ich bin eine ziemliche Einzelgängerin«, gestand Harper, von dem schönen Körper in der weißen Bluse und schwarzen Hose erregt. »Einige Leute würde ich als gute Kumpel bezeichnen, die anderen sind einfach nur Bekannte.«
    »Ihre sexuelle Bewußtwerdung«, sagte Drake und setzte sich neben sie. »Wann trat die ein?«
    Es war das erste Mal, daß sie sich auf dieses Gebiet wagte. Harper war ein wenig überrascht, sagte sich dann aber, daß Drake einfach nur ein paar Wissenslücken füllen wollte.
    »Meine sexuelle Bewußtwerdung«, wiederholte sie grinsend. »Wohl so mit sieben. Als mir zum erstenmal klar wurde,
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