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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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entfernten, unermeßlich feurigen Mutterstern zum Leuchten gebracht.
    »Es bleiben nur noch wenige Minuten für eine weitere Übermittlung«, stellte Drake fest, ohne sie dabei anzusehen.
    »Ich weiß«, antwortete Harper und vergab ihr stillschweigend den offiziellen Ton; Drake war in die Berechnung der letzten Flugetappe vertieft. Bevor die Kräfte des Planetoidengürtels am Steuerungssystem des Raumschiffs verheerenden Schaden anrichten konnten, würde Drake es ausschalten und die verbleibende Schubkraft dazu nutzen, es in einen dichten, kristallreichen Teil des Gürtels zu manövrieren. Alles war schon vorbereitet für die Zeit, in der sie und Drake sich im Zustand der teilweisen sensorischen Deprivation befinden würden und vom Sauerstoffvorrat des Raumschiffs abhingen - wenn die Scorpio IV einer toten, dahintreibenden Kapsel glich.
    Da sie schon vor einiger Zeit sämtliche Nachrichten übermittelt hatte, einschließlich einer an Niklaus, verharrte Harper jetzt in stillschweigender Anspannung auf ihrem Sitz und verspürte einen Anflug von Furcht. Auf dem Bildschirm verfolgte sie, wie sich die Ladeluken langsam öffneten, um die Planetoidenkristalle aufnehmen zu können, deren Herannahen - ein wahrlich spektakuläres Schauspiel - sie durch die Navigationsfenster beobachtete.
    Drakes ruhige Stimme durchdrang die Stille. »Zehn Sekunden bis zum Abschalten.« Sie legte einen leichten Maschengurt an, und Harper tat es ihr gleich.
    Dann tauchte die helle Kabine in die Schwärze ein, und obwohl Harper es erwartet hatte und in der Ausbildung darauf vorbereitet worden war, war sie doch völlig überwältigt. Es folgte totale Stille - eine Stille, dachte sie, wie in einem Grab. Allmählich gewöhnten sich ihre angestrengten Augen an die Dunkelheit, und der orangerote, von fluoreszierendem Licht durchdrungene Raum gewann langsam an Kontur, wirkte jetzt düster und unheimlich. Drakes Körper im schwarzen Overall war Teil dieser Dunkelheit, aber ihr Gesicht glich einem blassen Oval im geisterhaft weißen Licht des Antares. Die Stille schmerzte in Harpers Ohren, und sie atmete tief ein, um ihren Klang zu hören.
    Ein befriedigter Seufzer kam aus Drakes Richtung. »Kein bißchen vom Kurs abgekommen.«
    »Das freut mich«, sagte Harper inbrünstig. Ihr schauerte bei dem Gedanken, daß die Scorpio IV während der unzähligen Stunden des freien Falls sonst ständig hin und her geschwankt wäre.
    »Das sollte es auch«, sagte Drake trocken. »Du würdest dich nämlich schon längst übergeben.«
    Und du wahrscheinlich nicht, dachte Harper, mehr belustigt als verärgert über Drakes Arroganz. Ihr weißer Arm schwebte vor ihr; sie führte ihn zur Konsole und versuchte lächelnd, mit ihren Fingern darauf zu trommeln, aber die Hand schwebte immer wieder nach oben. Allein die haftende Kleidung und der Maschengurt, der sie auf dem Sitz festhielt, ließen sie ihren Körper spüren.
    Als die Scorpio IV sich immer schneller dem leuchtenden Planetoidengürtel näherte, starrte sie durch die Navigationsfenster. Ihr blindes und stummes Raumschiff hätte ebensogut eines jener aerodynamischen Papierflugzeuge sein können, die sie als Kind gebaut und in die Luft geworfen hatte. In sprachloser Ehrfurcht beobachtete sie, wie der mysteriöse Planetoidengürtel sie und Drake langsam in seinem Leuchtkranz aufnahm, wie sie Teil einer dichter werdenden Welt aus wirbelnden blauweißen Kristallen wurden, jenen hell glitzernden Juwelen, die geräuschlos und harmlos gegen die Schiffsoberfläche prallten.
    »Drake ...« stieß Harper hervor.
    »Ja. Es ist wunderschön.«
    Die Stimme kam von über ihr. Drake war in der gespenstischen Dunkelheit aufgestanden und hatte sich neben Harper gestellt. Jetzt beugte sie sich hinab und öffnete den Gurt, wobei ihr Gesicht neben Harper zu schweben schien. »Im Moment können wir nichts mehr für mein Schiff tun. Komm mit mir«, sagte sie leise und nahm Harpers Hand.
    Mit trockenem Mund ließ Harper es geschehen, daß Drake sie trotz der Schwerelosigkeit ihres Körpers aus dem Sessel und in ihre Arme zog. »Es müssen ja nicht alle unsere Sinne unter Deprivation leiden«, murmelte Drake und küßte Harper.
    Vom flinken Spiel der Zunge wie benommen, wurde Harper in Drakes Armen immer hilfloser. Drake öffnete den Overall, streifte ihn ihr vom Körper. Mit pochendem Herzen starrte Harper in das ernste, bildschöne Gesicht und wußte sogleich, daß sie im Begriff war, sich der absoluten Hilflosigkeit auszuliefern.
    Nackt,
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