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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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Jeden Abend las ich in dem Tagebuch; und es war wie ein kühles Bad nach einem heißen Tag. In der Zwischenzeit sendeten wir Brian drei weitere Holos. In der letzten war Psych nicht mehr um den heißen Brei herumgeschlichen, sondern hatte den armen Kerl endlich wissen lassen, daß seine Göttin an der chalcedonischen Möwe in seinem Museum interessiert war. Brian hatte diesen plötzlichen Umschwung in nackten Materialismus mühelos akzeptiert. Mythische Figuren waren immer auf der Jagd nach einer Art Talisman, und wenn er behilflich sein konnte, einen solchen zu beschaffen, war er absolut willig, es zu tun.
    Nach dieser Sitzung schleuderte ich meinen silbernen Füllfederhalter - auch ein Souvenir aus vergangenen Zeiten - quer durch den Raum. Er war immer so schrecklich nett und zuvorkommend! Ein intelligenter, gebildeter, begabter Mann - wie zum Teufel konnte er zu allem und jedem so lieb und nett sein?
    »Idiot!«, fauchte ich wütend. »Psych hat ihn völlig mürbe gemacht.« Banny zuckte die Achseln. Sie wußte, daß ich nicht wirklich sauer auf Brian war und wechselte das Thema. »Henry hat für uns eine neues Design entworfen«, sagte sie und deutete auf eines der Banner, die an der Wand des Laboratoriums hingen. Es zeigte einen roten Kreis auf dunkelblauem Untergrund, in dessen Mitte zwei schwarze Dreiecke die Form von Flügeln suggerierten. Jede Mannschaft hatte einen Spitznamen, der meist etwas mit Vögeln oder anderen fliegenden Dingen zu tun hatte; und dieses Design symbolisierte unseren Spitznamen: Dämmerschwingen. Ich hätte diesen Namen nicht gewählt, denn er erinnerte mich unangenehm an jene häßlichen, kreischenden Wesen, die nach Einbruch der Nacht aus Höhleneingängen ausschwärmen. Doch mit der Mannschaft hatte ich auch den Namen übernehmen müssen. Immerhin war er nicht so unerfreulich wie manche andere, die ich schon gehört hatte.
    »Henry!«, rief ich zum Schaltpult hinüber, an dem er sich gerade zu schaffen machte. »Gute Arbeit!« Er lächelte und arbeitete weiter. Henry war zu seiner Herkunftszeit ein bekannter Schriftsteller gewesen, und ich wußte zufällig, daß er auch jetzt wieder an einem Roman arbeitete. Ich hatte alle seine Bücher gelesen, damals in meiner Zeit, und war neugierig, was er nun produzieren würde.
    Wir mußten uns das Laboratorium mit zwei anderen Mannschaften teilen, und Henrys Dämmerschwingen-Motiv war weit besser als die anderen Entwürfe daneben. Ich begrüßte jede Einzelheit, die unseren Status positiv beeinflußte.
    Inzwischen bereute ich, daß ich den Füllfederhalter an die Wand geknallt hatte. In Gegenwart der Mannschaft wollte ich nicht zeigen, daß ich in irgendeiner Form unzufrieden oder deprimiert war; denn das gab ihnen das Gefühl, wir könnten in Schwierigkeiten kommen. Auch sollten sie nicht glauben, ich sei mit ihrer Arbeit nicht einverstanden. Im Gegenteil: eigentlich war ich fast zu stolz auf meine Leute. Sie waren alle talentierte Stürmer, schnell von Begriff, mit der enormen Energie ausgestattet, mich so tief in die Strömungen einzuschleusen, wie noch kein Stürmer zuvor hineingelangt war. Mehr noch! Ihre Kraft reichte aus, fünf von uns während einer Sturmaktion drüben zu halten - wie etwa beim letzten Durchstoß, bei dem ich die Plünderung des Palastes von Byzanz leitete. Wäre ich nicht so besorgt um ihren Energieverlust gewesen, hätte ich die Abkürzungen nicht genommen und mir den Ärger mit Mark erspart ... Nun, Vergangenheit bleibt Vergangenheit - es sei denn, sie ist es gerade nicht -, und es hat keinen Sinn, über verschüttete Milch zu jammern, wenn man dafür bezahlt wird, sie wieder aufzuwischen.
    »Aber eins will ich dir sagen«, wandte ich mich an Banny. »Er sieht wirklich nicht schlecht aus.«

    Eines Tages, kurze Zeit später, ließ Mark mich aus dem Laboratorium rufen. Während ich durch die Stürmerhalle zu seinem Büro ging, war ich ganz in meine Gedanken über das Projekt vertieft. Brians Zeitfrequenz, die wir so lange schon unter Beobachtung hielten, hatte endlich den vollen Gleichlauf mit der unseren erreicht. Sie stand 1:1, und das bereits seit zwei Stunden stabil. Die Wetterstation schätzte, daß der Gleichlauf wahrscheinlich mehrere Tage anhalten werde, allerdings fügten sie - wie üblich - hinzu: »Aber man weiß ja nie ...« Mehrere Tage oder nicht, die Zeit war gekommen, die Möwe herzuschaffen. Vierundzwanzig Stunden nach dem entscheidenden Zeitpunkt würde in dem Museum ein Brand ausbrechen und Brian

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