anderbookz Short Story Compilation
in den Flammen sterben.
»Du wirst warten müssen«, sagte Narses wie immer und saß grinsend da, an seinem Schreibtisch vor Marks Tür. Ostentativ begann er, seine Nägel zu feilen, und ich bemerkte, daß in die Mitte eines jeden Fingernagels ein Safir eingelassen war. Mein Blick entging ihm nicht. »Magst du sie? Mark hat sie mir zum Geburtstag geschenkt.«
»Wie reizend«, sagte ich spitz.
Narses hatte offenbar Lust auf einen Tratsch. »Hast du schon von den beiden Stürmern gehört, die bei einem privaten Durchstoß erwischt wurden? Sie haben Sachen geklaut und versucht, sie hier auf dem schwarzen Markt zu verkaufen.«
»Nein!« Meine Überraschung befriedigte ihn immens. »Jemand, den ich kenne?«
»Ich glaube nicht. Es sind Leute aus Hideos Sektion, nicht welche von uns .«
»Und was ist mit ihnen passiert? Sind sie tot?«
»Noch nicht. Sie werden verbannt, aber trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit.«
Es würde für einen Nichtbürger nur eine Frage der Zeit sein, wenn er nicht die Unterstützung der Stürmer hinter sich hatte. Mit Verbannten konnte jeder machen, was er wollte. Bürger konnten sich ihrer etwa für die nächste Fuchsjagd bedienen. Darüber hinaus gab es Vorlieben bestimmter Fremdwesen, die man sich kaum auszumalen wagte. Daneben erschien Dervan als ein Heiliger.
»Zu meiner Zeit«, fuhr Narses fort, »wäre man mit solchen Leuten härter umgesprungen. Man hat sie nicht einmal gründlich über ihre Kontakte auf dem schwarzen Markt ausgequetscht! Was ich in dieser Gesellschaft nie gutheißen konnte, ist die lasche Einstellung zur Wirksamkeit der Folter. Daß man sie abschaffte, kann ich nur so verstehen, daß die Regierung sich nicht mehr darum schert , was ihre Leute denken und tun. Zu meiner Zeit kümmerte man sich darum. Man forschte nach. Man ging jedem Anhaltspunkt gründlichst nach. Wir hatten das Streckbett, das Feuer, die Eisenringe ...«
»Oh ja, das waren noch Zeiten! Hör mal, Narses, Mark erwartet mich. Hast du ihm Bescheid gegeben, daß ich hier bin?«
Er rümpfte die Nase. »Er ist sich deiner Gegenwart durchaus bewußt, Ceece. In seinem Büro befinden sich höchst wichtige Gäste. Sobald er fertig ist ...« Auf Narses’ Pult glimmte ein Lämpchen auf. Offenbar war Mark so weit. Wieder rümpfte Narses die Nase und bediente den Türöffner.
Ja, Mark hatte höchst wichtige Gäste. Beide Zylinder waren besetzt, und zwar von zwei D’drendt. So nah hatte ich unsere Eroberer noch nie zu Gesicht bekommen! Ich versuchte, meine Angst zu verbergen.
Beide D’drendt überschritten die Größe eines Menschen noch einmal um die Hälfte. Sie standen nicht und saßen nicht. Sie klebten mit kleinen rosa Händen, die mit Saugrüsseln übersät waren, an der Zylinderwand. Ansonsten war ihr ganzer Körper schwarz, feuchtschimmernd, und sie hatten große, gefächerte Körperteile, die wie Flügel aussahen. Ja, es mochten wirklich Flügel sein, aber ich hatte sie noch nie entfaltet gesehen, nicht einmal auf Bildern. Ich blieb in der Mitte des Raumes stehen, mit weit aufgerissenen Augen.
»Bitte nimm doch Platz, Carol«, sagte Mark sanft. Er deutete auf einen Sessel. Zögernd ging ich darauf zu, wollte den Platz eigentlich nicht einnehmen, weil er mir teilweise die Sicht auf einen der D’drendt versperrte. Der Gedanke beunruhigte mich, obwohl ich wußte, daß sie die Zylinder nicht verlassen konnten. Mich überkam plötzlich eine Vorstellung davon, wohin diese beiden D’drendt gehen würden, sobald die Zylinder im Boden versunken waren. Ich sah sie herauskriechen, die geheimen Gänge der D’drendt entlang, die sich unter jedem wichtigen Gebäude und unter den Straßen hinzogen und in den Biotopräumen der D’drendt mündeten, die überall verstreut waren. Ich fragte mich, ob diese Gänge viel zahlreicher waren, als ich je vermutet hatte, und stellte mir plötzlich vor, wie D’drendt hinter der Wand des Laboratoriums umherschlichen oder unter unserem Fußboden. Ich schauderte unwillkürlich und unübersehbar. Aber vielleicht waren sie ja mit menschlichen Reaktionen nicht vertraut genug, um die Geste zu deuten. Aber Mark war es. Er sprach einfach weiter. »Carol, meine Gäste sind an dem Projekt interessiert, an dem du augenblicklich arbeitest. Würdest du uns bitte über den Stand der Dinge unterrichten.«
Ich öffnete den Mund, doch bevor ich ein Wort herausbrachte, ertönte der Lautsprecher des Zylinders, der mir am nächsten war. »Ist das das Menschenwesen, von dem du uns
Weitere Kostenlose Bücher