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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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achtzehn damals und ich fünf Tage älter. Wir kannten einander fast unser gesamtes Leben, hatten zusammen Lesen und Reiten gelernt und gejagt. Wenngleich nicht hier geboren, war ihm dies kaum bewußt, war er doch zu diesem Leben gekommen, als er kaum laufen konnte. Was mich angeht, ist es vielleicht Glück, daß ich nie die Mutter der Städte sah, und mich so nie nach ihr verzehre oder ihren Fall bejammere.
    An jenem Tag auf dem Wehrgang war mir mit Bestimmtheit nichts ferner als solche Gedanken. Dann sagte Draco: » Dort ist etwas.«
    Seine wasserklaren Augen erkannten Einzelheiten schneller und genauer als meine. Als ich hinsah, war es für mich nur eine verwischte Bewegung am Rande des Waldes und das seltsam funkelnde Glitzern von irgendwelchen Dingen, die das Licht der Morgensonne einfingen.
    »Nun, Skorous, vermutest du, daß ...?« fragte Draco.
    »Irgend jemand hat von unsrem Unglück gehört und erheblich seinen Kurs geändert«, erwiderte ich.
    Vor einer Woche hatten wir Nachricht über eine Getreidekarawane erhalten, die aber zu weit westlich reiste, um von Nutzen zu sein. Es schien, daß die Karawane umgekehrt auch Nachricht von unseren Bränden bekommen hatte. »Und schon steigt der Brotpreis«, meinte Draco.
    Inzwischen konnte ich Einzelheiten erkennen: die lange, wirre Linie aus Maultieren und Troßwagen, Pferden und Männern. Er reiste mit einem gewissen Stil. Wahrlich ein Kornkönig, immer auf der Seite des Profits, denn in den Wildnissen der Zivilisation war er sein Gewicht in Gold wert. In den Tagen des Imperiums wäre sein Gewicht erheblich unbedeutender gewesen.
    Wir gingen nach unten und warteten im Hof hinter dem Osttor, als die Schildwachen ihn hineingeleiten. Er ließ seine Leute auf dem Exerzierplatz vor dem Tor zurück; ein Wagen jedoch war bis zur Durchfahrt herangekommen, vermutlich sein eigener, ein gewaltiges Fahrzeug, ein regelrechtes reisendes Haus mit sechs Ochsen an der Deichsel. Ihre Zügel waren mit Plättchen geschmückt, die ich für Messingscheiben hielt. Auf den Seitenledern fanden sich in Purpur und Gelb gehaltene Bilder von Mühlsteinen und Getreide. Er selbst ritt ein hochschultriges Pferd, das ebenfalls plättchengeschmückt war. Er war von schlanker, schlangenartiger Erscheinung, ein östliches Aussehen, mit schwarzen Brauen und rehbrauner Haut. Seine Finger und Ohren waren durch ihr Gold bemerkenswert. Und plötzlich begann ich mich über die Plättchen zu wundern. Er verbeugte sich vor Draco, dem Kriegs-Führer und Fürsten. Dann, um ganz sicher zu gehen, vor mir.
    »Grüße, Müller«, sagte ich.
    Er lächelte über diese zurückhaltende Ehrbezeugung.
    »Wohlergehen und Grüße, Hauptmann. Ich denke, ich bin willkommen?«
    »Mein Fürst«, ich deutete auf Draco, »ist Reisenden gegenüber immer gastfreundlich.«
    »Besonders bei solchen, die in Zeiten des Mangels Waren bringen.«
    »Welcher Mangel sollte das sein?«
    Er legte einen goldenen Finger an eine goldene Ohrmuschel.
    »Die Bäume flüstern. Diese Stadt der eisernen Schilde hat kein Brot.«
    »Man sollte nie auf Gerüchte hören«, erklärte Draco freundlich.
    Und ich setzte hinzu: »Falls Ihr von Eurem Weg abgekommen sein solltet, wäre das sehr bedauerlich.«
    Der Kornkönig musterte mich, meine Arroganz mißfiel ihm - wenngleich ich nie in der Mutter der Städte gewesen bin, habe ich doch das Blut -, genauso wie ich sein schleichendes Gehabe und seinen Glitzerkram nicht mochte.
    Während wir fortfuhren, ich mit unserer Täuschung, er mit dem Versuch, sie einzuschätzen, fing ich im Augenwinkel eine weitere huschende Bewegung auf, dort, wo sein Hauswagen am Tor wartete. Ich spürte, daß irgendeine Frau durch die Klappe spähte, wie die Ostler-Weiber es tun. Die freien Mädchen der Stadt sind stolzer, selbst die Wolfsmädchen des Hurenhauses, und Edelleute verwenden Schleier nur als Sonnenschutz. Dracos Schwestern, obgleich schicklich und wohlerzogen, können lesen und schreiben, sie alle können einen leichten Streitwagen führen und werden jedem Mann offen und fest ins Gesicht sehen. Aber ich nahm sehr wenig Notiz von der flüchtigen Erscheinung, außer der Schlußfolgerung, daß sie ebenfalls Gold an sich haben mußte. Ich hielt den Blick auf mein Opfer gerichtet, und schließlich lächelte er wieder und senkte die Lider; so wußte ich, daß er nicht riskieren würde, mich herauszufordern, und wir gewonnen hatten. »Vielleicht«, sagte er, »könntet Ihr für den Abstecher, den ich so närrischer- und

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