Andere tun es doch auch (German Edition)
Geschwätz …«
»Ja, schon, klar. Also, das freut mich ja, dass ihr so gutes Wetter habt. Es ist allerdings so, ich … muss dir was Wichtiges sagen.«
»Okay, Butzi, hier sitzt sozusagen ein Ohr.«
»Ich, oh, ich weiß gar nicht, wie ich es sagen soll, aber ich muss es dir sagen … Also, ich war gestern mit, also … Aber das heißt jetzt noch gar nichts, verstehst du? Aber, es ist einfach passiert, dass ich …«
»Oh, shit! Herr Müller-Tiedenbach hängt im Seil und kommt nicht mehr hoch … Michelle! Michelle! Nein! Nicht das rote Seil, das gelbe! DAS GELBE ! … OH NEIN ! DOCH DAS ROTE ! … Ich muss Schluss machen! Entschuldigung, Butzi.«
K AI »Ja, Herr Gondinske, ich habe verstanden.«
Ich hasse seine eckige Büromännleinstimme.
»Sie haben also meinen Großonkel Karl gefunden. Er spaziert vor dem Eingang des Verteidigungsministeriums in der Stauffenbergstraße auf und ab. Ist doch nicht so schlimm, lassen Sie ihn einfach … Okay, er spielt auf einer Basstuba die deutsche Nationalhymne … in Moll … Aber solange niemand … Wie? Schon seit über fünf Stunden? … Ja, gut, ich komme. Ich fahre direkt dorthin … Nein, nein, ich schätze, das hängt wieder mit dem Afghanistan-Einsatz zusammen … Das erkläre ich Ihnen wann anders, ich mache jetzt lieber, dass ich loskomme … Ja, ich melde mich, wiederhören … Ach, noch was, sorgen Sie doch bitte in der Zwischenzeit dafür, dass Großonkel Karls Hammondorgel repariert wird. Ich bezahle.«
Mist. Ich brauche Joan gar nicht anzusehen, um zu wissen, dass ich meinen mühsam errungenen Kredit bei ihr so gut wie verspiel habe.
»Tut mir leid, Joan, ich muss sofort zum Verteidigungsministerium. Du hast es ja gehört, mein Großonkel Karl hat da gerade einen großen Auftritt.«
»Und den darfst du natürlich nicht verpassen.«
»Erklär ich dir ein andermal. Hey, nimm dir doch trotzdem noch einen Nachtisch.«
»Keinen Hunger mehr.«
»Okay, Joan, ich schau mir nachher die wehe Stelle an deiner Hüfte an. Versprochen.«
L ARA Kerstin hat ihr Handy ausgeschaltet. Großartig. Ich sitze hier, die Welt bricht über und unter mir zusammen, und meine beste Freundin hat ihr Handy ausgeschaltet.
Dieser Naturschwätzer! Pah! »Es wird viel zu viel gesprochen auf unserer Welt.« Allein schon deswegen müsste ich jetzt mindestens zwei Stunden lang am Stück reden. Aber geht ja nicht. Mist!
Ist doch einfach nur Käse, dass ich mich in diesen Kerl verliebt habe! Schon klar, wenn man, wie ich früher, zehn Stunden und mehr pro Tag einsam in Schneideräumen rumsitzt, ist es sehr entspannend, abends so einen Brummkreiselflummi wie Adrian um sich zu haben. Ich habe es geliebt, wie er immer kreuz und quer im Zimmer rumhüpfte und quasselte. Auch wenn es nur seine Naturpredigten waren, plus endlose Bergfotoserien auf dem Handy, seine Stimme hat aus dem Raum immer eine strahlende Zirkusmanege für mich gezaubert.
Nur ins Kino konnte man nicht mit ihm gehen, das habe ich schnell rausgekriegt. Als er während American Beauty auf einmal laut über den »viel zu strengen, total unnatürlichen« Rosengarten von Mrs Burnham ablästerte, sind wir beinahe von den zwei Brillenträgern hinter uns verprügelt worden. Aber solange wir nichts zusammen unternommen haben, bei dem man die Klappe halten muss, war es wirklich okay mit ihm.
Erst seit ich meinen Job los bin, sehe ich, dass er ein total unzuverlässiger Luftikus, egozentrischer Gockel und oberflächlicher Hanswurst ist … Na ja, sagen wir, von all dem ein bisschen … Ein großes bisschen … Arrr! Klartext: Bei Kai ist eine Verabredung eine Verabredung, und bei Adrian eben nicht. Er hätte mir gestern eiskalt im letzten Moment abgesagt, weil er mit Michelle zum Kniefelhorn muss. Und Kai würde nicht mal im Traum daran denken, ein Date zu verschieben. Das Problem mit solchen Typen ist nur, dass es das Zuverlässigkeits-Gen anscheinend immer nur zusammen mit dem Langweiler-Gen gibt. Aber wenn man, wie ich, leider nichts Spannendes mehr zu tun hat, ist das Zuverlässigkeits-Gen viel wichtiger. Dann zieht dir nämlich jede Verabredung, die nicht klappt, ein Stück mehr den Boden unter den Füßen weg. Und, tut mir leid, Adrian, deswegen ist mir im Moment so ein Kai einfach lieber.
Und schlimmer noch, ich habe den Verdacht, dass Kai der einzige Mann der Welt ist, der seine Verabredungen einhält und trotzdem nicht langweilig ist. Keine Ahnung, wie er das macht, aber seit wir uns
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