Andere tun es doch auch (German Edition)
Glas anstarrt, wirkt schon mal von Haus aus komisch. Außerdem hatte ich es nicht mehr geschafft, mich zu rasieren. Und ich kenne hier niemanden außer Frank Neumann. Ich trage das Verlierer-Schild offen sichtbar um den Hals. Ist ihr nur jetzt erst aufgefallen.
Nein, ich steigere mich da rein. Sie hat hier ihren Drink stehen, und, viel wichtiger, sie ist noch nicht fertig mit der Irische-Lieblingsfilme-Liste. Filmmenschen, die einem eine Lieblingsfilmliste machen wollten und dabei unterbrochen wurden, kommen immer zurück. Und wenn es das Letzte ist, was sie tun. Da könnte sie mich noch so doof finden. Nein, ihr muss wirklich was passiert sein.
Ich gebe dem Barmann, der inzwischen vor mir pariert wie ein Schoßhündchen, wortlos zu verstehen, dass er unsere Plätze freihalten soll, und stehe auf.
L ARA Geschafft! Ich habe mich einmal quer durchs Gewühl gearbeitet und bin am anderen Ende der Tanzfläche wieder herausgeschlüpft. Keiner hat was mitbekommen. Ob er noch an der Bar sitzt? Ich traue mich nicht, den Kopf hochzurecken, sonst schnappen mich die Tanz-Kidnapper gleich wieder. Außerdem will ich sowieso nochmal kurz auf die Toilette und in den Spiegel schauen. Ich gehe einfach hintenrum, dann sieht er mich nicht, und dann tue ich so, als ob das Gespräch etwas länger gedauert hat. Eine alte Freundin, oder so.
K AI Ja, stimmt. Ist gar nicht so lange her, da habe ich mir noch innigst gewünscht, dass der Abend aufregend wird. Aber damit habe ich nicht das hier gemeint. Steht höchstens 50:50, dass ich hier mit heiler Haut wieder rauskomme. Was habe ich mir nur … Nein, ich sollte besser nicht mit dem Fuß aufstampfen.
L ARA Wann kapieren die endlich mal, dass man auf der Damentoilette viel mehr Spiegel als Klos braucht? Sie haben hier tatsächlich nur einen einzigen. Kann nur ein Mann geplant haben. Bis man da endlich mal drankommt.
Ach ja, und kleine gemütliche Eckchen, in denen man sich gut unter vier Augen unterhalten kann, wären auch noch schön. Ich kann jedes Wort mithören, das die beiden Gänse da direkt neben mir tratschen, ob ich will oder nicht. Und je länger die zwei über das Thema »Sind Männer, die enge Röhrenjeans tragen, prinzipiell toll?« reden, umso weniger will ich.
Vielleicht mache ich mir einfach schnell einen Seitenscheitel? Dann wäre die ihm zugewandte Gesichtshälfte immer frei und ich müsste nicht so oft die Haare nach hinten … Nein, hält nicht. Fön und Haarfestiger müsste es hier auch noch geben. Andererseits, nein, lieber nicht. Das würde die Wartezeit vor dem Spiegel ins Unendliche verlängern. Okay, muss jetzt so gehen. Außerdem will ich ja gar nichts von ihm.
Warum haben die beiden auf einmal aufgehört zu quasseln? Mitten im Satz, da muss was passiert sein. Und sie schauen ganz entsetzt.
»Was …?«
»Pssst!«
Die eine deutet auf die letzte Toilettenkabine. Was denn? Rohrbruch? Warum darf ich dann nicht reden? Ach so, ich ahne was … Tatsächlich, durch den Spalt zwischen Tür und Boden sind Schuhe zu sehen. Männerschuhe.
Keine Ahnung, warum ich das tue. Wahrscheinlich nur, um die beiden aufgebrezelten Produktionsbüropraktikantinnen-Püppchen zu beeindrucken. Jedenfalls haue ich lässig drei Mal mit der Faust gegen die Tür, hinter der der ekelhafte Spanner sitzt, und sage: »Komm raus!«
K AI Mist! Wenn in der Handtasche, die ich jetzt gleich übergebraten bekomme, eine gläserne Parfümflasche ist, habe ich ein Problem.
»Du?«
»Oh!«
»Was zur Hölle …?«
»Ich hab dich gesucht.«
»Aber warum …?«
»Also …«
»Und ausgerechnet in der …?«
»Ich hab mir halt Sorgen gemacht. Ich war in jedem Winkel, und du warst nirgends. Da dachte ich, ich schaue nur mal vorsichtshalber, falls du zum Telefonieren auf die Damentoilette … Hätte ja sein können, plötzliche Ohnmacht oder so. Und es war niemand drin, hab extra geklopft. Und ich wollte auch schon wieder gehen, aber dann kam auf einmal ein ganzer Schwung Frauen, und da hab ich mich halt lieber in der Kabine … Übrigens, was mir schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt, meine Damen, es gibt nur eine Art Röhrenjeansträger, die toll ist: die mit Leopardenfellmuster-T-Shirt und seltsam geformter Elektrogitarre in der Hand.«
Sie lächelt. Trotzdem, ich lasse den Kopf lieber noch ein Weilchen eingezogen.
L ARA Die Treppenstufen bringen mich irgendwann um. Vier Stockwerke ist schon tagsüber nicht ohne. Aber um diese Zeit, hundemüde, und
Weitere Kostenlose Bücher