Andere tun es doch auch (German Edition)
lesen, ein bisschen … Ja, schon gut, es hilft nichts, ich denke dauernd an Kai. Immer wieder sehe ich ihn vor mir. Er sagt »Lari« und grinst mich unverschämt an. Weil er es total komisch findet, dass ich einen miesen Hoteljob habe. Jetzt mal ganz ehrlich: Na und? Die Frau, die sich ihm als größte Film-Bescheidwisserin von ganz Berlin und Brandenburg vorgestellt hat, ist in Wirklichkeit ein Hotelbüttel. Das ist doch auch irgendwie komisch. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ich mich an seiner Stelle genauso blöd angegrinst hätte, aber Männer sind da einfach anders, weiß man doch. Unkomplizierter, direkter, trampeliger. Muss man sich nicht gleich auf den Schlips getreten fühlen. Hätte er mit seinem besten Kumpel auch gemacht. So Hey, alte Schlackwurst! Hab gehört, du putzt jetzt Klos? *grins* Na klar, Hammerjob! Jedenfalls solange ich nicht dein Klo putzen muss! *doppelgrins* Apropos Klo – lass uns mal was essen gehen …
Ich bin einfach zu dünnhäutig, seit ich meinen Job los bin. Und überhaupt, wo bleibt die blöde Straßenbahn? … Schon wieder. Ich habe es überhaupt nicht eilig. Im Gegenteil, ist doch gut, einfach hier zu sitzen und nachzudenken. Also. Was würde Kerstin tun? Ja, klar, ihn nicht anrufen. So gern ich sie mag, manchmal frage ich mich, ob sie in Männersachen überhaupt noch eine andere Strategie parat hat als ihn nicht anrufen . Kann man ja an ihr sehen, wohin das führt. Wer ist seit über einem Jahr Single? Warum habe ich noch nie darüber nachgedacht? Ich rufe ihn jetzt an, Schluss, aus! Ich kann ihm ja erzählen, dass ich in dem Café so plötzlich aufgestanden bin, weil … ich auch einen Verwandten habe, der plötzlich Probleme hat. Und dass ich Kai böse angeschaut habe, kam nur daher … dass es mir urplötzlich als telepathische Eingebung im Kopf erschienen ist, dass mein Verwandter auf einmal Probleme hat. Mist, ich muss mir wirklich was einfallen lassen. Warum bin ich aufgesprungen und weg? Herdplatte angelassen? Bügeleisen? Die Richtung stimmt, nur noch ein bisschen ungewöhnlicher …
Wenn wir uns nochmal treffen, vielleicht entschuldigt er sich ja sogar für das »Lari« und sein Gegrinse? Dann wäre wirklich wieder alles in Ordnung. Oder ich sage ihm einfach, dass ich total gekränkt war, dass er gleich so auf meinem Rockerer-Sklaventum rumgeritten ist. Oder ist das dumm? Wenn du Schwäche zeigst, gerätst du nur an Männer, die schwache Frauen mögen, würde Kerstin jetzt wieder sagen. Andererseits muss man doch auch mal von diesem Rumgelüge wegkommen, oder? Auch wenn ich nicht wirklich was von ihm will, wie sollen wir denn, ähm, gute Freunde werden, wenn wir nicht ehrlich sind?
Je mehr ich darüber nachdenke, umso besser finde ich die Idee. Es liegt so nah. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Ich mach das jetzt. Ich ruf ihn an und frage, ob wir uns nochmal treffen, und dann sage ich ihm klipp und klar, dass er mich gekränkt hat. Und dann muss er auch klipp und klar damit rausrücken, was er sich dabei gedacht hat. Und nur wenige Augenblicke später weiß ich klipp und klar, ob er ein Arsch ist oder der Mann, der … der …
Das gibts doch nicht!
Oh Gott, ich traue mich kaum, nochmal hinzuschauen … Kai kommt genau in diesem Moment direkt auf meine Haltestelle zu! Es ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis er mich sieht. Wahnsinn! Gerade jetzt, als ich endlich genau weiß, was ich ihm sagen will. Schicksal, du bist eine alte Kitschtante, aber trotzdem danke.
Das einzig Blöde: Jetzt sieht er mich in diesen Sneakern-von-denen-ich-selbst-noch-gar-nicht-weiß-ob-ich-sie-gut-finde. Wäre vielleicht besser, wenn ich schnell noch entscheide, ob sie mir gefallen. Falls nein, ob ich sie noch ausziehen …? Oh Mann, hör endlich auf! Der soll mich gefälligst genau so nehmen, wie ich jetzt gerade im Moment bin! Und wenn ich zwei tote Thunfische an den Füßen hätte! Und überhaupt, wie sieht der denn aus? Mitten in der Stadt in Gummistiefeln? Ist der verrückt geworden? Ach, mir doch egal. Ich sag ihm jetzt erst mal, dass er sich danebenbenommen hat. Danach können wir meinetwegen noch den ganzen Tag über Gummistiefel und alles andere reden.
Ich muss ruhig bleiben. Gleich sieht er mich. Gleich!
K AI Schon klar, das Laufgefühl ist in Gummistiefeln eher bescheiden. Man hat keinen richtigen Halt, und wenn man genau hinhört, macht es beim Gehen die ganze Zeit »gamulk, gamulk«. Aber soll ich jetzt wirklich wegen der zwei
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