Andere tun es doch auch (German Edition)
weiterreiche. Und es sind, wie erwartet, jede Menge Brände. Ich kann nur hoffen, dass Moha bis zum Nachmittag sein Hirn wiedergefunden hat, dann kann er das Telefon übernehmen und ich mal auf der Baustelle nachsehen, wie viele Erdleitungen die Bagger wirklich schon kaputtgebaggert haben.
Aber das ist noch nicht alles. Auf der äußersten linken Ecke meines Schreibtischs liegt noch dieser leicht zerknitterte Scheck über eine beträchtliche fünfstellige Summe vorab gezahltes Architektenhonorar. Oberflächlich betrachtet ein höchst erfreulicher Anblick. Nur wenn man weiß, dass mit ihm die Verpflichtung einhergeht, einen düsteren Keller in der Krauzobelstraße bis Mittwoch in einen Club umzubauen, obwohl man ohnehin schon alle Hände voll zu tun hat, bekommt der Anblick etwas sehr Bedrohliches. Das Einzige, was mich davon abhält, in Panik aufzuschreien, ist die Tatsache, dass ich die fertigen Pläne wirklich schon im Schrank habe. Ich müsste nur nochmal drübergehen und den baulichen Aufwand etwas reduzieren. Das spart Zeit und kommt Caros Wünschen nach Versifftheit entgegen. Und natürlich müsste ich noch Laras grandiose Damentoilette ins Reine zeichnen.
Autsch. Mein Kopfmonster reagiert auch auf das Wort »Lara«.
Dülülülülü-dülülülülü-dülülülülü!
Schon wieder autsch. Ich bin inzwischen so weit, dass ich lieber eine sich windende Schlange in die Hand nehmen würde als noch einmal diesen Hörer, der dauernd Worte ausspuckt, die mir im Moment überhaupt nicht guttun …
»Kai Findling Architekten, Kai Findling am Apparat, was kann ich für Sie tun?«
Okay. War ja klar. Sie sind auf alte Fundamente gestoßen. Natürlich Stahlbeton. Sie schicken Fotos per Mail. Je früher ich da rausfahre, umso besser. Aber wenn das mit Caros Club was werden soll, dann muss ich jetzt schleunigst den Hauseigentümer der Krauzobelstraße 75, Herrn Kanubski, anrufen und ihn mit den Löwensteins zusammenbringen. Vorher können wir nicht anfangen. Und wenn das geklappt hat, muss ich ganz schnell meine treusten Handwerker dazu überreden, dort einen Blitzjob zu machen. Es ist zu schaffen. Die Leitungen liegen ja alle schon.
Das Blöde ist nur, ich kann all das nicht tun, ohne dass Jochen etwas davon mitbekommt. Und der würde völlig ausrasten, wenn er erfährt, dass ich noch einen zusätzlichen Auftrag angenommen habe. Schon das Rockerer-Projekt, von dem ich ihm notgedrungen erzählen musste, hat ihn kurz an die Decke gehen lassen. Nur weil ich ihm fünf Mal versichert habe, dass er die nächsten Monate nichts damit zu tun haben wird und er sich ganz auf sein Löwenstein-Baustellenbaby konzentrieren kann, hat er sich wieder eingekriegt. Und dass Alyssa und Jeffrey schon ab heute Nachmittag Aufmaß in Rockerers Hotel machen werden, habe ich ihm noch gar nicht erzählt. Ich werde wohl besser aufs Klo gehen und die Geschichte mit Caro und Herrn Kanubski heimlich per Handy klären. Mal sehen. Vielleicht hat er ja inzwischen schon einen anderen Clubbetreiber gefunden, der den Keller mieten will. Dann hat sich das Ganze sowieso erledigt.
»Moha, kannst du bitte die Anrufe annehmen, solange ich draußen bin?«
»Mach ich, Kai.«
Dieses Grinsen. Irgendjemand muss ihm gestern eine Kokain-Depotspritze gesetzt haben.
Tschingderassa! Tschingderassa!
»Ooooooh! Entschuldige, Kai, entschuldige bitte.«
Moha nimmt sein Handygespräch an und wandert grinsend selbst auf die Toilette, auf die ich gerade wollte. Einfach so. Manchmal glaube ich, ich bin nicht so richtig zum Chef geboren.
L ARA » ICH HAB IHN ANGERUFEN! ICH HAB IHN ANGERUFEN! «
»Aua, Kerstin, mein Ohr.«
» UND ER IST RANGEGANGEN! ER IST RANGEGANGEN! «
»Warum sollte er nicht rangehen?«
»Ich hatte solche Angst, dass er einfach nicht rangeht, Lara!«
Mann, Mann, Mann. Ja, ich liebe Kerstin. Wirklich. Aber ich frage mich gerade, ob ich mir meine Ratschläge in Liebesdingen künftig nicht besser beim örtlichen Justin-Bieber-Fanclub abhole. Oder gleich bei meinem kleinen Neffen. Jedenfalls tickt die ja wohl nicht mehr ganz richtig.
»Und er hat sich total gefreut, dass ich angerufen habe! Richtig gestottert hat er! Total süß! Und wir sehen uns heute Abend! Wir gehen ins Chez Maurice! Oh Lara, halt mir bloß die Daumen! Ich kann es gar nicht mehr erwarten!«
Ausgerechnet das Chez Maurice. Das letzte Restaurant, an das ich gerade denken will. Als ob es nicht Millionen anderer Restaurants hier in der Ecke geben würde. Man könnte fast meinen,
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