Andere tun es doch auch (German Edition)
und ich schreiten schon seit einer halben Stunde in den notdürftig beleuchteten Kellerhöhlen hin und her, atmen Moderluft und warten. Der gute Mann guckt schon etwas bedröppelt. Ich versuche ihn nach Kräften abzulenken, indem ich ihm die wunderbare Damentoilette schildere, die, ähm, mein Team entworfen hat. Und je mehr ich mich in dieses Thema vertiefe, umso mehr zieht es in meinem Magen. Warum musste ich auch ausgerechnet darüber reden? Die Herrentoilette ist doch mindestens genauso wichtig. Vielleicht sogar noch wichtiger …
»Und hier kommt eine Sektbar hin.«
»Eine Sektbar in der Damentoilette, Herr Findling?«
»Nicht nur das. Hier drüben wird ein großes rotes Sofa stehen. Und hier noch Schließfächer für Handtaschen, wenn man mal richtig tanzen will, Sie wissen schon. Und wir installieren Videokameras, die Livebilder von der Bar und der Tanzfläche und den wichtigsten Rumsteh-Ecken in die Damentoilette auf eine große Bildschirmwand übertragen. Hier, direkt gegenüber vom roten Sofa.«
»Nun, mir soll alles recht sein, aber …«
»Frau Löwenstein wird jeden Moment kommen. Sie hat sicher nur Schwierigkeiten, es zu finden. Ich rufe sie kurz mal an.«
Natürlich, kein Empfang hier unten. Wir gehen die Treppe hoch ins Freie. Dort kommen gleich mehrere SMS von Caro an, die mein Handy im Kellerloch nicht aufschnappen konnte.
»Hier haben wir es schon, Herr Kanubski, Caro verspätet sich, weil … Oh, da kommt sie auch schon um die Ecke.«
Und nicht nur sie. Ein weißes Hundchen mit ein paar spärlich verteilten braunen Flecken folgt ihr in gefühlt einem Zentimeter Abstand.
»Hallo Caro! Darf ich vorstellen: Herr Kanubski, Eigentümer des wunderbaren Kellers, der darauf wartet, seine Pforten für krachende Partys zu öffnen. Und Carola Löwenstein, Multitalent, wenn ich mich recht erinnere.«
»Hi, ich bin die Caro.«
Sie streckt voller Schwung ihre kleine Hand vor und schüttelt Herrn Kanubskis bemerkenswerte Pranke. Er hingegen scheint sich erst an ihren Anblick gewöhnen zu müssen.
»Entschuldigung, dass ich zu spät bin, aber ich habs ja schon gesmst, ich hatte ein paar Schwierigkeiten mit Beppo.«
Sie zeigt auf den Hund, der, so wie er mit dem Kopf an ihrem Bein lehnt, fast mehr wie eine Katze wirkt.
»Stell dir vor, Kai, der ist mir auf dem Nachhauseweg von deiner Party gestern einfach zugelaufen. Zuerst wollte ihn der blöde Taxifahrer nicht mitnehmen, aber dann habe ich ihm einfach drei Stunden bezahlt, und gut wars.«
»Nun, in jedem steckt ein Tierfreund, man muss ihn nur wachkitzeln.«
Bei Herrn Kanubski ist das mit dem Wachkitzeln weitaus weniger schwierig. Er ist schon längst tief in die Hocke gegangen, redet sanft auf Beppo ein und lässt sich von dessen misstrauischen Blicken kein bisschen ins Boxhorn jagen. Im Handumdrehen entwickelt sich zwischen ihm und Caro ein Fachgespräch über Terrier, deren Psyche, sowie Unmenschen, die es übers Herz bringen, solche bezaubernden Wesen einfach auszusetzen. Erst als ich mich leise räuspere, erinnern sie sich wieder daran, dass sie für heute auch noch andere Pläne hatten.
Es ist nicht so leicht, Beppo davon zu überzeugen, mit uns in den Keller zu kommen. Alleine draußen bleiben will er aber noch weniger. Am Ende beugt er sich den ebenso eindringlich wie sanft vorgetragenen Argumenten, die Caro und Herr Kanubski im Duett in seine kleinen Schlappohren hineinsingen. Caro davon zu überzeugen, dass der Keller ideal für ihre Pläne ist, ist dagegen ein Kinderspiel. Schon als sie die erste Portion Moderduft einatmet, fängt sie an zu strahlen. Und als ich ihr die Pläne für die Damentoilette erläutere, scheint sie endgültig aller Sorgen ledig. Nicht nur, dass sie die Ideen klasse findet, sie ist auch überzeugt, dass diese Gemächer die Ansprüche ihrer Mutter befriedigen werden. Ihre Mutter scheint der einzige Mensch auf der Welt zu sein, vor dem Caro Angst hat.
Als wir wenig später wieder ans Tageslicht stoßen, ist Beppo sehr erleichtert. Noch erleichterter, und dazu im wilden Wechsel ungläubig und glücklich, ist Herr Kanubski. Caro hat ihn nach ihrem Abgang mit einem Scheck in der Hand zurückgelassen, der ihn um etliche Sorgen ärmer macht. Ich beneide ihn etwas. Im Gegensatz zu mir erlegt ihm der Caro-Scheck keine Pflichten auf. Ich hingegen muss nun erst mal mein Handy heißtelefonieren, meine Zunge wundreden und ein paar Freundschaften zu guten Handwerkern auf das Äußerste strapazieren. Und Jochen die ganze
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