Andere tun es doch auch (German Edition)
haben.«
»In der Hand verläuft keine Hauptschlagader, Frank.«
»Bei dir vielleicht nicht.«
»Du fasst die Stichsäge jedenfalls heute nicht mehr an, es gibt genügend anderes zu tun. Ach ja, und wenn du aus der Apotheke draußen bist, kauf bitte noch einen Hunderter-Pack 3,5er Spaxschrauben, Holzdübel und Montagekleber, sonst kommen wir hier nicht weiter.«
Während Frank Richtung Tageslicht verschwindet, beuge ich mich wieder über meinen halbfertigen Plan, der im Scheinwerferlicht am Boden liegt. Doch, das ist zu schaffen. Wir fangen jetzt einfach unten an, und dann sehen wir oben weiter. Man muss auch mal improvisieren können … Naturbursche. So ist das also. Lara lernt hinter meinem Rücken einen Naturburschen kennen, und plötzlich bin ich nur noch Luft. In einem Moment unterhält sie sich mit mir, im nächsten springt sie einfach auf und rennt weg, in ihrem Kopf nur noch ein Gedanke: »Naturbursche!« Pff. Ich wünsche ihm viel Spaß mit dieser wankelmütigen Ziege … Nein, verflixt nochmal! Ich will nicht, dass er Spaß mit ihr hat! Ich will nicht, dass Lara mit einem Naturburschen zusammen ist! Ich will, will, will es nicht! Kann man denn gar nichts dagegen tun? Ich muss doch irgendwas dagegen tun können?
»So, da bin ich wieder. Hier sind die Schrauben. Alles richtig?«
»Oh, du warst aber schnell, Frank.«
»Ich? Gar nicht. Im Handwerksladen hatten sie keinen Montagekleber mehr. Ich musste bis in den Baumarkt. Ich dachte eher, du schimpfst.«
»Wie spät ist es?«
»Halb eins.«
Nein! Um acht muss alles fertig sein, und wir stehen noch immer in einem Haufen Bretter. Und statt voranzumachen, denke ich eine geschlagene Stunde über Lara und ihren Naturburschen nach. Das. Muss. Aufhören.
L ARA Irgendwann ist auch die schönste Geschichtsepoche auf Kerstins Sofakontinent vorbei, und die stolzen Nationen ziehen weiter. Die Kerstinier widmen sich wieder den aktuellen Modefragen, während die Laranen nach Hause gegangen und in die Joggingschuhe geschlüpft sind. Auch für Sport wird wieder viel zu wenig Zeit bleiben, wenn ich erst einmal meinen Job zurückhabe. Die Kopfhörer krachen meine »Echter Soul, kein Rumgeheule«-Playlist in meine Ohren, und meine übereifrigen Füße fangen schon auf der Treppe an zu traben. Irgendwie schafft mein Handy es trotzdem kurz vor dem Hausausgang, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Jenny? Schluck. Hoffentlich nichts …
»Hallo Jenny.«
»Hallo Lara. Ausgeschlafen?«
»Keine Ahnung, muss mich erst mal orientieren … Igitt!«
»Was ist?«
»Stell dir vor, ich habe mit dem Kopf in einer Pizza gelegen.«
»Haha! Also, ich verlange, dass du sofort herkommst und vor mir auf die Knie fällst.«
»Kein Problem, hatte ich sowieso gerade vor. Warum?«
»Ich hab mich nochmal für dich reingehängt. Du kannst die Teambildungsmaßnahme mitmachen, ohne was dafür zu bezahlen.«
»Echt? Wow, wie kommt das?«
»Ich habe Kanzberger überzeugt, dass das Holzhüttenbauen doch nichts für uns ist. Stattdessen geht es ins Gebirge. Und zwar mit … Dreimal darfst du raten.«
»Nein!«
»Genau, Adrian Adventures. Der Vertrag steht schon. Und das mit deiner Teilnahmegebühr regelst du mal schön privat mit ihm. Na, bin ich eine Wucht?«
»Oh ja, und was für eine.«
»Dann machs mal gut. Ich glaube, wir sehen uns heute Abend.«
»Heute Abend?«
»Na, du kümmerst dich doch heute Abend um das Buffet bei der Löwenstein-Geburtstagsparty, hat mir der Eduard erzählt. Ich werde auch da sein. Er hat mich auf die Gästeliste gesetzt. Bringst a paar Schauspieler mit, hat er gesagt. Wegen Flair und so. Na, mal sehen. Bis dann, freu mich schon.«
»Ich auch.«
Okay. Sie wusste nicht, dass ich nicht mehr mit Adrian zusammen bin, ich habe es ihr ja extra nicht gesagt. Trotzdem, irgendwie war das Absicht, ich bin ganz sicher. Ist doch totaler Mist, meine Situation. Ich trenne mich doch nicht von Adrian, um mich ein paar Tage später von ihm in schwindelerregender Höhe an Kletterseilen aufhängen zu lassen. Will ich mich dem Mann, mit dem ich gerade Schluss gemacht habe, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert fühlen? Auf keinen Fall! Selbst wenn sie mir Geld dafür bezahlen würden, würde ich es nicht machen.
Ich verliere mit einem Schlag die Lust, mich überhaupt noch zu bewegen, geschweige denn zu joggen. Dass ich trotzdem lostrabe, liegt nur daran, dass man mit Rufus Thomas’ »Memphis Train« in den Ohren gar nicht anders kann, als sich zu bewegen.
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