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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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haben sie auch noch nichts getan.“ Vielleicht einen, dachte er, aber der war ja auch kein Richtiger, der kleidete sich nur so.
    „Wie, du verteidigst sie auch noch? Das hätte ich nicht von dir gedacht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kenne ja auch keine, aber du musst doch zugeben, dass sie einem schon Angst machen können.“
    „Muss ich gar nicht“, sagte Christian. „Wenn ich ehrlich bin, gefallen mir die Halbstarken sogar. Sie erlauben sich Sachen, da denke ich noch nicht einmal daran. Wie im Film.“ Oder wie auf dem Foto aus Zürich, dachte er.
    Er hatte plötzlich wieder das Gefühl, in der Lederjacke von Ricky zu stecken, und er merkte nicht, dass er begann, sich im Grunde selbst zu verteidigen.
    „Ich glaube, die fühlen sich irgendwie stark und keiner kann ihnen was. Vielleicht ist es ihnen auch egal, was die Erwachsenen denken.“
    „Meinst du das im Ernst? Was soll an denen denn stark sein, die sind doch nur in der Gruppe stark. Dass sie sich prügeln?“ Helga war irritiert.
    „Stell dir mal vor“, sagte Christian, den plötzlich der Teufel ritt, „ich wäre so einer. Gleiche Frisur, lange Koteletten, Lederjacke, spitze Stiefel.“ Er blickte sie herausfordernd an. „Würdest du trotzdem mit mir gehen?“
    Auf Helgas Gesicht breitete sich der Ausdruck pursten Mitleids aus. „Christian, was du da erzählst! Du und Halbstarker. Das passt ja nun wirklich nicht zu dir. Nee, kann ich mir nicht vorstellen. Schau dich doch mal um. Siehst du hier einen Halbstarken? Da drüben Ulli, Vater Zahnarzt, und Günther, sein Vater hat ein Versicherungsgeschäft.“
    „Was hat das denn damit zu tun?“ Christian schüttelte den Kopf. „Ich versteh gar nicht, was du meinst.“
    Sie zeigte auf ihre Klassenkameraden. „Und die anderen, die hier sitzen, sehen die aus, als wenn sie Proleten sind? Ich kenne jedenfalls keinen Halbstarken, der aufs Gymnasium geht. Für mich ist das eine andere Welt.“
    Ah, daher wehte der Wind. Er wurde sofort hellhörig. Rieb sie ihm gerade sein Elternhaus unter die Nase? Das kannte er gar nicht von ihr. So meinte sie es bestimmt nicht. Darauf fiel ihm nichts ein. Denn aus einem Proletenhaushalt stammte er ja nun auch nicht.
    Christian schluckte seinen Ärger hinunter, winkte ab und sagte, dass er ja nur mal so gedacht hätte. Und weil er um keinen Preis von seiner Verkleidung erzählen durfte, fühlte er die Niederlage doppelt stark. Er war verletzt. Sie traute ihm nichts zu. Er sich eigentlich auch nicht. Es war immer dasselbe. Letztendlich war er froh, dass sie sich überhaupt mit ihm abgab. Halbstarker hin oder her. Irgendwie hatte er das Gefühl, mit der Verteidigung der Halbstarken auf die falsche Seite geraten zu sein. Als Helga die Berufe der Väter der Klassenkameraden aufgezählt hatte, hatte er gedacht, dass sein Vater 800 DM mit nach Hause brachte, die schon verschwunden waren, wenn seine Mutter sie auf kleinen Zetteln in Kolonnen den Haushaltsposten zuordnete. Helga hatte gesagt, Halbstarke wären in ihren Augen Proleten. So hatte er die Sache noch nie betrachtet. Im Katharineum gab es tatsächlich keine. Auch nicht im Ruderverein. Und Prolet, das wollte er ganz bestimmt nicht sein. Das assoziierte er mit schlechten Gerüchen in heruntergekommenen, mit Stockflecken übersäten engen Wohnungen, wie er sie bei Günters Eltern kennengelernt hatte.
    Helga hatte inzwischen das Thema gewechselt und schlug vor, die Ferien mit einem Kinofilm zu beschließen. Im Burgtorkino lief Die Pariserin mit Brigitte Bardot. Sie könnten in die Nachmittagsvorstellung gehen. Christian ging dankbar auf ihren Vorschlag ein. Die Küsse, die sie während der Vorstellung tauschten, und die Fummeleien brachten sie wieder näher zueinander und sie waren sehr gelöst und einander zugetan, als sie das Kino verließen.

14. Kapitel

    Der Zustand hielt die nächsten Tage an. Wie auf Wolken wäre ein zu starkes Bild, Christians Verunsicherung hielt ihn am Boden, aber die Treffen mit Helga verliefen seit dem Kinobesuch nicht mehr so angespannt und sie begannen, sich in ihrer Beziehung einzurichten. Das Wintertraining der Ruderriege wurde wieder im wöchentlichen Rhythmus aufgenommen. Henze war ihm gegenüber neutral distanziert, seine Aufmerksamkeit galt nach wie vor Jürgen, selbst Wolle ließ er in Ruhe. Es war unmöglich, aufs Wasser zu gehen, so beschränkten sie sich auf das Kraft- und Lauftraining.
    Ricky war nicht mehr im Venezia erschienen und Christian begann, ohne aufgestaute Angst und

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