Anderer Welten Kind (German Edition)
mich, du hattest mich beim letzten Mal nach meinen Bildern gefragt. Ja, immer noch Landschaften, glücklicherweise Auftragsarbeiten. Du siehst, Kunst ist eine Hure.“
„Wieso sagst du so etwas?“ Helga schüttelte abwehrend den Kopf, sollte das eine Provokation sein? Sie erinnerte sich, dass Ricky auch schon beim ersten Zusammentreffen ihr gegenüber komisch gewesen war. Jeder Mensch musste arbeiten.
Rickys Antwort überraschte sie: „Weil nur die reichen Künstler es sich leisten können, nicht für Geld zu malen. Und weil es immer so war. So einfach ist das.“
Helga fiel ein, dass ja zum Beispiel auch Mozart Hofmusiker war und für Geld und Unterhalt komponierte, aber so wie Ricky das gesagt hatte, schwang etwas in seiner Stimme mit, was ihr nicht passte, etwas, was sie auf sich gemünzt verstand und das sich nicht freundlich angehört hatte. In dem Gefühl, sich lächerlich zu machen, verzichtete sie darauf, das Beispiel zu nennen, und sagte nur: „Aha.“
Sie merkte, dass sie keine Lust verspürte, sich mit Ricky weiter zu unterhalten. Ihre Neugierde auf ihn, die sie noch bei der ersten Begegnung empfunden hatte, war verflogen, er war ihr unsympathisch und seine Art war arrogant. Ihr jedenfalls gegenüber. Und auf was oder wen sich seine Bekanntschaft mit Christian stützte, konnte sie nicht mit der Erklärung Christians „Alter Nachbar von Günter“ abtun. Da gab es etwas, was mehr war als eine nur zufällige Bekanntschaft, so wie sich Ricky hier breitmachte und mit Christian befasste, der unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrutschte und das kurze Gespräch mit Helga misstrauisch und verängstigt beobachtet hatte. Sie würde später genauer nachfragen. Sie schaute an den beiden vorbei zum Fenster hinaus und signalisierte ihr Desinteresse an einer Fortsetzung des Gesprächs. Dann nahm sie demonstrativ die Getränke- und Eiskarte aus dem kleinen silbernen Halter und studierte sie ausgiebig.
Ricky hatte ihre Reaktion gleichgültig hingenommen, ja, geradezu ignoriert, und versuchte, Christian in ein Gespräch zu ziehen, indem er ihn fragte, was er denn so treibe und was die Schule mache. Christian antwortete einsilbig „Nichts Besonderes“ und ihm fiel partout nichts weiter ein, was er hätte erzählen können. Am liebsten hätte Ricky laut gesagt: „Mensch, schau mich doch mal an, ich bin’s, Ricky, erinnerst du dich?“, als er sah, wie Christian an seinem Ärmelbündchen nestelte und den Blick unverwandt auf den Resopaltisch gerichtet hielt. Er konnte Christians Unwohlsein förmlich spüren und legte die Hand auf seinen Arm, zog sie aber sofort zurück, als er das kurze Zucken der Anspannung fühlte. Glücklicherweise trat die Kellnerin an ihren Tisch und er bestellte eine Pepsi-Cola, die er sofort bezahlte. Helga winkte ab und sagte, dass sie gleich gingen. Sie hatten bereits gezahlt. Dabei stieß sie Christian unter dem Tisch leicht mit dem Fuß an, der mit einem unmerklichen Nicken reagierte, das Ricky nicht entging.
„Komm, wir müssen los“, sagte sie, direkt an Christian gewandt, und erhob sich schon aus dem Stuhl, als Ricky fast beiläufig sagte: „Christian, bleib doch noch, ich möchte etwas mit dir besprechen.“
Helga stand jetzt, und ehe Christian antworten konnte, sagte sie: „Das geht nicht, wir sind verabredet.“
Sie warf Christian einen ungeduldigen Blick zu, der „Mach schon“ signalisierte. Er hob bedauernd die Schultern und an Ricky gewandt sagte er mit einer Stimme, der er versuchte, einen festen Anstrich zu geben: „Wir müssen los. Tut mir leid. Ein anderes Mal.“
Als er Anstalten machte aufzustehen, hielt ihn Ricky am Arm fest.
„Es ist wichtig“, sagte er eindringlich, ohne ihn loszulassen.
An Helga gewandt sagte er: „Geh doch schon vor, er …“, er wies mit dem Kinn Richtung Christian, „… kommt später nach.“
„Aber“, sagte Christian, der sich nicht gerührt hatte, „es geht wirklich nicht.“
Sein Versuch aufzustehen blieb jedoch halbherzig und er ließ sich wieder fallen, als sich der Druck auf seinem Arm verstärkte.
„Komm jetzt“, sagte Helga. Wachsendes Erstaunen und aufwallende Ungeduld, in die sich Wut zu mischen begann, machten ihre Stimme schrill.
„Er bleibt noch“, sagte Ricky jetzt sehr bestimmt, ohne seinen Kopf in ihre Richtung zu drehen.
Christian wollte protestieren, wollte bloß noch weg, blieb dennoch an seinen Stuhl gefesselt, ohnmächtig, geschlagen.
„Können wir nicht später?“, fragte er, „ich kann
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