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Andreas Steinhofel

Andreas Steinhofel

Titel: Andreas Steinhofel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Mitte der Welt
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dazu.«
»Miteinander schlafen klingt so technisch.«
»Alles andere klingt vulgär.«
»Na ja, vulgär macht eben mehr Spaß.« Kat bleibt abrupt
stehen und schüttelt den Kopf. »Ich kann’s immer noch nicht
glauben. Du und der Läufer. Was für ein Skandalpotential!«
»Tu mir einen Gefallen, versuch ihn zu mögen, okay?«, sage
ich schnell. »Ich stecke in der Klemme, wenn meine beste
Freundin meinen Freund ablehnt.«
»Oh, nur keine Sorge. Ich werde mein schönstes Lächeln für
ihn aufsetzen. Etwa so…«
Kat verzieht das Gesicht zu einer Grimasse mit
zweiunddreißig gebleckten Zähnen. Als ich bemerke, dass ihr
Gefeixe nicht auf mich, sondern über meine Schulter
hinwegzielt, drehe ich mich um. Mein Herz stolpert, als ich
Nicholas auf uns zukommen sehe.
»Ich weiß alles über euch«, poltert Kat los, kaum dass er vor
uns steht. »Alle schmutzigen Details!«
Jemand stöhnt leise auf. Das bin ich.
»Und das heißt?«, fragt Nicholas unbewegt.
»Schweigegeld.«
Die nächsten Sekunden zwischen den beiden sind wie
Funkengestober, ein schnelles Herantasten und Abwägen, ein
Ausloten von Sympathien, ein erstes Erforschen der Grenzen
des anderen.
»Wie viel willst du?«, fragt Nicholas.
»Fünfzigtausend.«
»In kleinen, gebrauchten Scheinen?«
»In großen, ungebrauchten Eisbällchen. Kirsch.«
»Das sollte sich einrichten lassen.«
Ende des Geplänkels. Nicholas und Kat lächeln einander an.
Mir fällt ein Stein vom Herzen.
»Bist du schon in den trauten Kreis von Phils schwer
psychopathischer Familie aufgenommen worden?«, fragt Kat.
Nicholas schüttelt den Kopf.
»Meine Mutter hätte jedenfalls nichts dagegen«, werfe ich ein.
»Sie hat gesagt, dass sie dich gern kennen lernen würde.«
Nicholas sieht mich skeptisch an. »Weiß sie, dass wir…«
»Ja.«
»Und es macht ihr nichts aus?«
»Es hat ihr noch nie etwas ausgemacht. Sie ist, na ja, anders
als andere Mütter, glaube ich.«
»Ja, davon hab ich gehört.« Er knabbert auf seiner Unterlippe.
»Mit ihr gesehen zu werden ist angeblich nicht gerade…
reputationsfördernd.«
»Mit Glass zu schlafen ist nicht reputationsfördernd, aber die
Gefahr«, sagt Kat trocken, »dürfte bei dir ja nicht bestehen.«
»Bist du dir da so sicher?«
»QED.«
»Was?«
»Quod erat demonstrandum.«
»Erit, in diesem Fall.« Nicholas zeigt grinsend über den
Schulhof, ohne Kat aus dem Auge zu lassen. »Aber nicht hier,
vor allen Leuten, oder?«
»Schätze, das wirst du mit Glass ausmachen müssen und nicht
mit mir«, kontert Kat.
»Na dann.« Für einen Augenblick ist er unschlüssig.
Vielleicht stört ihn das Geglotze von allen Seiten, von dem er
nicht wissen kann, dass es nicht ihm gilt, sondern mir, dem
Hexenjungen mit der unheimlichen Schwester. »Was haltet ihr
davon, wenn wir mal was unternehmen, gemeinsam? Ich könnte
meinen Vater um seinen Wagen bitten.«
Das überrascht mich. »Du hast den Führerschein?«
Er nickt. Es gefällt mir nicht, mit der Nase darauf gestoßen zu
werden, dass Nicholas über ein Jahr älter ist als ich und dieses
Schuljahr nur wiederholt. Dass er den Führerschein hat, betont
nur den Vorsprung an Erfahrung, von dem ich mir zumindest
einbilde, dass er ihn besitzt.
»Heute?«
»Nein, irgendwann demnächst. Ich muss erst ein bisschen
Vorarbeit leisten. Mein Vater verleiht seinen Wagen nicht
gern.«
»Hervorragende Idee«, sagt Kat. »Der Ritter auf dem weißen
Pferd entführt uns aus dem tristen Grau der kleinen, erstorbenen
Stadt!«
»Genau das wird er tun, aber vorher begibt er sich in das triste
Grau dieser kleinen Schule.« Nicholas sieht auf seine
Armbanduhr. »Ich muss rein. Wir sehen uns dann später, bei
Händel.«
Er geht davon und mischt sich unter die in den Haupteingang
strömenden Schüler. Ich wünschte, er würde sich wenigstens
einmal zu mir umdrehen, mir zuwinken, irgendwas.
Es tut gut, Kat neben mir zu wissen. Sie legt einen Arm um
meine Hüfte und zieht mich eng an sich. Wir bilden eine kleine
Insel im auf- und abschwellenden Meer der von allen Seiten ins
Gebäude drängenden Schüler.
»Lässt er dich immer einfach so stehen?«
»Ja.«
»Kein KUSS?«
»Nein.«
»Also, wenn ich du wäre, ich würde darauf bes…«
Etwas Seltsames geschieht.
Jeder Ton und jedes Geräusch verstummen. Die Luft gerinnt
zu flüssigem Glas und wirft Wellen. Neben dem
Fahrradunterstand steht Thomas, mit hochrotem Kopf, den
Blick fest auf Kat und mich geheftet. Er bebt und glüht vor
zurückgehaltener Energie, ein Leuchtturm der Eifersucht. Und
durch

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