Androidenträume
Er griff in seine Uniform und zog eine kleine Kamera hervor. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Als einstimmig ernannter Repräsentant meines Regiments auf dieser Reise wurde ich beauftragt, meinen Mitreisenden auf die Nerven zu gehen und von jedem Mist Fotos zu machen, um sie dann an die Redaktion des Newsletters meines Regiments zu schicken. Also hoffe ich, dass es Ihnen nichts ausmacht, sich kurz für ein Foto zusammenzurotten. Evelyn, Schatz, wenn du so lieb bist…« Er reichte die Kamera seiner Frau, die vom Tisch aufstand, um einen passenden Ausschnitt für das Foto zu wählen. Die anderen am Tisch drängten sich um Gracie, doch Creek und Robin hielten Abstand zur Gruppe, weil sie keinerlei Interesse daran hatten, fotografiert zu werden.
»Hiroki, Debbie«, sagte Gracie. »Werfen Sie sich in den Haufen!«
»Ich trage keine Uniform«, sagte Creek.
»Mann, damit wollte ich Sie doch nur auf den Arm nehmen«, sagte Gracie.
»Trotzdem. Ich klinke mich mal aus«, sagte Creek.
Gracie zuckte mit den Schultern und blickte zu Evelyn, die die Gruppe durch den Sucher fixierte. »Mach schon, Schatz.«
Evelyn Gracie fand, dass Hiroki und seine nette Verlobte einfach nur etwas schüchtern waren und sich zierten. Sie drückte eine Taste an der Kamera und stellte den Ausschnitt von Normal auf Panorama, wodurch sie die Gesichter des widerspenstigen Pärchens mit aufs Bild holte. Sie schoss das Foto und gab die Kamera an ihren Gatten zurück.
»Vielen Dank, meine Liebe.«
»Sie erwähnten Ihr Regiment«, sagte Crower zu Gracie, als die Kellner den Hauptgang servierten, der aus Kunstrippensteak bestand. »Waren Sie bei der Artillerie?«
»Noch besser«, sagte Gracie. »Bei den Rangers. Fünfundsiebzigstes Regiment, zweites Bataillon. Fort Benning, Georgia. Das Fünfundsiebzigste ist dort schon seit dem zwanzigsten Jahrhundert stationiert und hat somit eine verdammt lange Tradition. Ich bin hier nicht das einzige Mitglied des Fünfundsiebzigsten – ich weiß, dass auch ein paar Jungs vom ersten und dritten Bataillon an Bord sind. Aber sie lassen mich die ganzen Fotos machen. Sie waren bei der Artillerie, nicht wahr?«
»Dritte Panzerartilleriedivision, Tiger-Schwadron, Trupp Crazy Horse«, sagte Crower. »Stationiert in Tennessee.«
»Eine gute Adresse«, sagte Gracie anerkennend. »Was ist mit Ihnen, Lopez?«
»Sechsundvierzigste Infanteriedivision, einhundertsechsundvierzigstes Versorgungsbataillon«, sagte Lopez. »Im Wolfsrudel. Michigan.«
»Drittes Bataillon, siebtes Marine Corps«, sagte Leff. »Kalifornien. Die Cutting Edge.«
»Und Sie, Hiroki?«
Creek blickte von seiner Mahlzeit auf. »Zwölfte Infanteriedivision, sechstes Bataillon.«
Mehrere Sekunden lang herrschte Totenstille am Tisch. »Ach du Scheiße«, sagte Gracie schließlich.
»Ja.« Creek schnitt ein Stück Rippensteak ab und schob es sich in den Mund.
»Wie viele von Ihnen haben es nach Hause geschafft?«, fragte Lopez.
Creek schluckte. »Vom sechsten Bataillon?«
Lopez nickte.
»Sechsundzwanzig.«
»Von einem kompletten Bataillon«, sagte Leff. »Von ganzen eintausend Soldaten.«
»Richtig«, sagte Creek.
»Mann!«, stöhnte Leff.
»Ja«, sagte Creek.
»Ich habe gehört, dass einer aus Ihrem Bataillon mit dem Verdienstorden ausgezeichnet wurde«, sagte Gracie. »Er hat zwei Tage lang die Rebellen zurückgehalten und seinen Trupp gerettet.«
»Er hat die Rebellen abgewehrt«, sagte Creek. »Aber er hat keinen Verdienstorden bekommen.«
»Warum nicht?«, fragte Gracie.
»Er hat nicht seinen ganzen Trupp gerettet«, sagte Creek.
»Er muss ziemlich sauer gewesen sein, dass er keine Auszeichnung bekommen hat«, sagte Crower.
»Für ihn war es viel schlimmer, dass er einen Mann seines Trupps nicht retten konnte«, sagte Creek.
»Kennen Sie diesen Mann?«, fragte Lopez. »Wie hieß er?«
»Harry Creek«, sagte Creek. »Ich kannte ihn.«
»Was macht er jetzt?«, fragte Lopez.
»Er ist Schafhirte geworden«, sagte Creek.
Gracie lachte. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Oh doch«, sagte Creek.
»Und ist er gut in seinem neuen Beruf?«, fragte Gracie.
»Ich weiß es nicht«, sagte Creek und warf Robin einen Blick zu. »Da müssten Sie die Schafe fragen.«
Creek verzog sich nach dem Abendessen. Ein paar Stunden später machte sich Robin auf die Suche nach ihm und fand ihn schließlich auf dem Promenadendeck, wo er in den Weltraum hinausstarrte. »Hallo«, sagte sie.
Creek drehte sich kurz zu ihr um und wandte sich dann
Weitere Kostenlose Bücher