Androidenträume
sah, weil Hayter-Ross, abgesehen von landwirtschaftlichen Unternehmungen, bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Biotechnik bestenfalls eine Nebenrolle gespielt hatte.
Wie vielen anderen Kirchenmitgliedern war auch Archie der Skandal bekannt, der zum Mord an Montgomery geführt hatte. Und er wusste auch, wie er versucht hatte, Porter zu erpressen. Die Schaf-Frau, die Montgomery gezüchtet hatte, war eine menschenunwürdige Anwendung von gentechnischen Mitteln gewesen. Doch als er nun alle Dokumente vor sich hatte, regte sich in Archie zum ersten Mal der leise Verdacht, welche Verbindung es zwischen der Inhaberin des Zoogeschäfts und den Androidentraum-Schafen geben könnte. Archie rief Robins Versicherungsdaten auf, verschaffte sich Zugang zu ihrem Genom und ließ die DNS-Sequenzen vom Computer analysieren.
»Oh Mann!«, rief er, als das Ergebnis vorlag. Dann rief er Rod Acuna.
»Du willst mich verscheißern«, sagte Acuna ein paar Minuten später zu Archie.
»Es gibt keinen Zweifel«, sagte Archie. »Sie ist überwiegend menschlich, aber ganze Sequenzen ihrer DNS stammen aus eurem Schaf-Genom.«
»Sie hat gar nicht wie ein Schaf ausgesehen«, meinte Acuna.
»Anscheinend liegt die Schaf-DNS hauptsächlich in Bereichen, die bei Menschen inaktiv sind«, sagte Archie. »Solche Abschnitte nennt man ›Gen-Müll‹. Sie haben keinen Einfluss darauf, wie jemand aussieht oder wie der Organismus arbeitet. Funktionell ist sie nicht von einem Menschen zu unterscheiden. Aber auf dem DNS-Level ist sie zu etwa achtzehn Prozent ein Schaf.«
»Scheißwissenschaftler«, fluchte Acuna. »Ruinieren eine Frau, die einfach nur gut aussieht.« Er klappte seinen Kommunikator auf und rief jemanden an.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«, rief Außenminister Heffer, nachdem Ben Javna ihn über seinen Kommunikator angerufen hatte.
»Das liegt mir völlig fern, Sir«, beteuerte Javna. »Unser Schaf ist die Besitzerin eines Zooladens in Virginia.«
»Das ist alles?«, sagte Heffer. »Andere Schafe haben Sie nicht gefunden? Richtige Schafe?«
»Mehr haben wir nicht«, sagte Javna. »Alle reinrassigen Androidenträume sind Anschlägen zum Opfer gefallen. Wer auch immer es getan hat, er hat dafür gesorgt, dass sie sehr schnell sterben.«
Heffer rieb sich die Schläfen. »Scheiße, Ben. Das hat uns gerade noch gefehlt.«
»Wo sind Sie, Sir?«
Heffer blickte aus dem Fenster des Delta, der soeben den Höhepunkt des Parabelfluges hinter sich gelassen hatte. »Woher soll ich das wissen?«, sagte er. »Von hier oben sieht der Pazifik überall gleich aus. In etwa fünfundvierzig Minuten landen wir in LA, und dann habe ich sofort einen Termin im Gebäude des Außenministeriums. Der Verwaltungschef geht heute in den Ruhestand. Ich werde ungefähr um Mitternacht wieder in D.C. sein.«
»Was wollen Sie tun?«, erkundigte sich Javna.
»Welche Möglichkeiten haben wir noch?«, sagte Heffer.
»Im Moment fallen mir keine ein«, erwiderte Javna. »Abgesehen von der DNS ist sie ein menschliches Wesen und eine Bürgerin der USA und der UNE. Wir können sie nicht ohne ihre Einwilligung zu den Nidu schicken, damit sie mit ihr eine Zeremonie durchführen.«
»Können wir ihnen nicht einfach einen halben Liter von ihrem Blut geben?«, fragte Heffer. »Ich finde, ein halber Liter wäre wirklich nicht allzu viel verlangt.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ein komplettes Schaf benötigen«, gab Javna zu bedenken. »Zumindest hatte ich diesen Eindruck, als ich in der Nidu-Botschaft war, um mich nach den Einzelheiten zu erkundigen. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Nidu langsam unruhig werden. Die Zeit ist bald abgelaufen.«
»Sie haben den Nidu noch nichts von dieser Frau erzählt?«
»Nein«, sagte Javna. »Ich dachte mir, dass ich vorher mit Ihnen reden sollte.«
»Arrgh!«, knurrte Heffer, wobei er das Wort »Arrgh« recht deutlich aussprach, statt einfach nur zu stöhnen. »Diese Entwicklung lässt sich nur als äußerst bescheiden beschreiben.«
»Tut mir leid, Sir«, sagte Javna. Er hatte die Berichte verfolgt, die über die Reise seines Chefs aus Japan und Thailand gekommen waren. Wenn man behauptete, die Mission wäre schlecht gelaufen, hätte das impliziert, dass überhaupt die Möglichkeit bestanden hätte, irgendwann den richtigen Kurs einzuschlagen. Heffer hatte gehofft, dass die beiden Länder ihre Auswandererquoten erhöhten, damit mehr Kolonisten aus Ländern der dritten Welt als Siedler auf neuen Welten
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