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Androidenträume

Titel: Androidenträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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wer diese Aufgabe übernehmen wird.«

    Eine erfolgreiche Täuschung funktioniert im Wesentlichen aus zwei Gründen. Erstens muss das Objekt der Täuschung eine überzeugend große Ähnlichkeit aufweisen, d.h. es muss aussehen, sich anfühlen oder sich verhalten wie das Original. Genauso wichtig ist die zweite Voraussetzung, nach der das zu täuschende Subjekt die Neigung aufweisen muss, das Objekt der Täuschung für das Original zu halten. Diese beiden Kriterien beeinflussen sich wechselseitig, da ein hinreichend täuschend ähnliches Objekt ein skeptisches Subjekt überzeugen kann, während ein hinreichend leichtgläubiges Subjekt selbst die gröbsten Mängel am Objekt der Täuschung übersehen wird.
    Ted Soram, der Handelsminister, war verzweifelt genug, um zu glauben – und sich täuschen zu lassen.
    Warum auch nicht? Er hatte eine schlimme Woche gehabt. Eine Woche, in der jemand am Verhandlungstisch sein Gegenüber ermordete, während auf beiden Seiten jede Menge Zeugen anwesend waren, schaffte es niemals auf die Liste der besten Wochen aller Zeiten.
    Aber das war es gar nicht, was Soram so große Sorgen machte. Sicher, das auch, aber nur wenige Personen waren mit allen Einzelheiten vertraut. Trotz der heftigen Kontroversen, in die Soram und sein Ministerium geraten waren, hatten Heffer und sein Außenministerium wunderbare Arbeit geleistet, um das Durcheinander aufzuräumen. Es war äußerst ärgerlich, dass Heffers Ermittler Moellers Büro auf den Kopf gestellt hatten, aber andererseits wäre es noch viel unangenehmer gewesen, wenn sich die Bundespolizei der USA oder der UNE das Handelsministerium unter ihre Mikroskope gelegt hätten. So schlimm Moellers Mordversuch (Versuch? Erfolg!) war, hatte die Sache doch buchstäblich den Rang eines Staatsgeheimnisses behalten.
    Nein, was Soram wirklich ärgerte, war, wie wenig Unterstützung er in diesem speziellen Moment der Krise bekam. Er hatte kein Was-auch-immer-es- genau-sein-mochte in Moellers Arsch geschoben und ihm gesagt, dass er jemanden töten sollte. Er hatte die Nidu nicht dazu gebracht, aufzustehen und den Konferenzraum zu verlassen, was zur Folge hatte, dass die Börsen abstürzten und jeder, von ecuadorianischen Bananenbauern bis zu taiwanesischen Videospielproduzenten, lautes Geschrei angestimmt hatte. Trotzdem bekam er in den politischen Magazinen und Leitartikeln die Prügel, und bei einer Demonstration irgendwelcher Fischer in Frankreich hatte man sogar eine Puppe mit seinen Gesichtszügen verbrannt.
    Er durfte nicht einmal reagieren. Die Leute von Präsident Webster hatten ihn gebeten (im Klartext: ihm befohlen), jeden Auftritt ohne genaue Anweisungen zu vermeiden, seit er zu Beginn seiner Amtszeit in einer Nachrichtensendung den Witz über den Pakistani, den Inder, die Kuh und das Schwein erzählt hatte. Er fand immer noch, dass die damalige Reaktion völlig übertrieben gewesen war. Er hatte doch nur auf den Zusammenhang von Wirtschaft und kulturellen Unterschieden hinweisen wollen. Der Anlass war viel zu banal für die Aufstände gewesen, die eine Woche angehalten hatten. Während Soram in keiner Talkshow mehr auftrat, hatte sich Joe McGinnis, der Pressesprecher des Handelsministeriums, vor den laufenden Kameras verhören lassen, dieser verdammte Sack. Soram hatte den Verdacht, dass inzwischen die Hälfte der Washingtoner Reporter glaubte, dass McGinnis der Handelsminister war. Soram nahm sich vor, McGinnis zu feuern, nachdem etwas Gras über diese Geschichte gewachsen war.
    Unter der Last des Skandals und der Unpopularität suchte Soram nach einem Weg, wie er sich retten konnte. Aber er hatte nicht den Schimmer einer Idee, wie das gehen sollte.
    Das war Sorams Fluch. Er war der Spross einer Familie, deren Vorfahren das einzeln verpackte Feuchttuch erfunden hatten (es waren zwei dazu nötig gewesen, was zu einer erstaunlichen geschwisterlichen Verbitterung geführt hatte, deren Nachhall sich bis zum heutigen Tag bemerkbar machte), so dass Theodore Logan Preston Soram VI. sehr reich war, gelegentlich den Charme einer alten Familie des gehobenen Bürgertums an den Tag legte und in jeglicher Hinsicht völlig nutzlos war, außer als Geldquelle für wohltätige Organisationen und Politiker zu dienen. Fast drei Jahrzehnte lang war er eine Station des »Kreuzwegs« von Philadelphia gewesen, wo sich hoffnungsvolle Senatoren und Präsidenten einfanden, um Zuwendungen und inoffizielle Spenden von der Elite der Stadt zu akquirieren. Danach hatte Soram

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