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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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noch lieber gewesen, aber er konnte keinen finden. Er mußte sich mit dem Stemmeisen begnügen, das zum Aufbrechen der Raumkapsel verwendet worden war. Damit räumte er mehrere Rippen beiseite und legte Lungen und Herz frei. Wieder gab es keine Blutung. Burton holte tief Luft, dann öffnete er das Herz. Er schnitt tief in die linke Herzkammer. Das Innere der Kammer war mit einer roten, schwammigen Masse gefüllt. Flüssiges Blut war nicht vorhanden. »Kein Zweifel – fest geronnen«, sagte er.
    »Haben Sie eine Ahnung, was zu einer solchen Gerinnung führen könnte?«
    »Im gesamten Gefäßsystem? Sechs Liter Blut? Nein.« Burton ließ sich schwer in den Sessel des Arztes fallen und starrte die Leiche an, die er gerade obduziert hatte. »So etwas ist mir noch nie zu Ohren gekommen. Es gibt zwar eine Erscheinung, die man ausgedehnte intravaskuläre Koagulation nennt, aber sie kommt außerordentlich selten vor. Alle möglichen ungewöhnlichen Umstände müssen zusammentreffen, um sie auszulösen.«
    »Könnte ein einzelnes Toxin so etwas einleiten?«
    »Theoretisch schon, nehme ich an. Aber in der Praxis gibt es kein einziges Toxin auf der ganzen Welt …« Er brach ab.
    »Ja«, sagte Stone. »Ich glaube, da haben Sie recht.« Er hob den Satelliten Scoop VII hoch und trug ihn hinaus zum Bergungswagen. Als er wieder zurückkam, sagte er: »Ich denke, wir sollten jetzt einmal die Häuser durchsuchen.«
    »Fangen wir gleich hier an?«
    »Meinetwegen«, sagte Stone.
     
    Burton fand Mrs. Benedict. Sie war eine nette ältere Dame, die mit einem Buch auf dem Schoß in einem Sessel saß; anscheinend hatte sie gerade umblättern wollen. Burton untersuchte sie flüchtig, dann hörte er, wie Stone ihn rief. Er ging hinüber zur anderen Seite des Hauses. Stone stand in einem Schlafzimmer und beugte sich über einen Jungen von dreizehn oder vierzehn Jahren, der in seinem Bett lag. Es mußte sein Zimmer sein: Pop-Posters an den Wänden, Flugzeugmodelle auf einem Regal an der Wand. Der Junge lag mit geöffneten Augen auf dem Rücken und starrte zur Decke empor. Sein Mund stand offen. Eine Hand schloß sich fest um eine leere Tube Alleskleber. Über das ganze Bett waren leere Flaschen von Firnis, Lackverdünner und Terpentin verstreut. Stone trat zurück. »Sehen Sie sich das mal an.«
    Burton schaute dem Jungen in den Mund, fuhr mit dem Finger hinein und betastete die nun hart gewordene Masse. »Großer Gott!« sagte er.
    Stone runzelte die Stirn. »Das dauerte einige Zeit«, sagte er. »Ganz unabhängig davon, was ihn dazu veranlaßt hat – es dauerte eine Weile. Anscheinend haben wir uns das, was hier geschehen ist, zu einfach vorgestellt. Es sind nicht alle auf der Stelle gestorben. Ein paar Leute starben zu Hause; andere liefen hinaus auf die Straße. Und dieser Junge hier …« Er schüttelte den Kopf. »Sehen wir uns in den anderen Häusern um.«
    Auf dem Rückweg betrat Burton noch einmal das Sprechzimmer und machte einen Bogen um die Leiche des Arztes. Beim Anblick der tiefen Einschnitte in Handgelenk und Schenkel, des freigelegten Brustraums, und das alles ohne einen Tropfen Blut, überkam ihn ein eigenartiges Gefühl. Das alles war irgendwie abwegig, unmenschlich. Als ob Bluten ein Zeichen des Menschseins sei. Nun, dachte er, vielleicht ist es das wirklich. Vielleicht macht uns erst die Tatsache, daß wir verbluten können, wirklich zu Menschen.
     
    Für Stone war Piedmont ein Rätsel, das seinen Scharfsinn herausforderte. Er mußte es lösen. Er war überzeugt, daß ihm dieser kleine Ort alles über die Art dieser Krankheit sagen konnte, über ihren Verlauf und ihre Auswirkungen. Es kam nur darauf an, die Angaben richtig zu kombinieren. Aber je länger sie suchten, um so mehr mußte er zugeben, daß diese Angaben höchst verwirrend waren.
     
    In einem Haus fanden sie einen Mann, eine Frau und deren junge Tochter. Sie alle saßen um einen gedeckten Tisch, machten einen ausgeruhten und fröhlichen Eindruck. Keiner von den dreien hatte so viel Zeit gehabt, seinen Stuhl zurückzuschieben. Sie waren im trauten Beisammensein erstarrt und lächelten einander über die Teller mit dem inzwischen verdorbenen, fliegenübersäten Essen hinweg an. Stone fielen die Fliegen auf, die leise umhersummten. Diese Fliegen darf ich nicht vergessen, sagte er sich.
     
    Eine alte Frau mit weißem Haar und faltigem Gesicht, auf dem ein gütiges Lächeln lag. Ihr Hals hing in einer Schlinge, die an einem Deckenbalken befestigt war. Das

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