Andromeda
droben im Haus oder auch auf der Straße, und ich leerte eine ganze Flasche meiner farbenfrohen Getränke. Obgleich ich mich wohl fühlte, war ich voller Vorahnungen. Dann machte ich mich auf den Weg, den Gang hinunter.
Zwei Stunden sicherlich war ich unterwegs, als der Tunnel sich spitzwinklig gabelte. Ich hielt mich nach rechts, und kurz darauf verzweigte sich mein Weg abermals – diesmal gleich in drei verschiedene Richtungen. Nun benutzte ich zum erstenmal die handtellergroßen Fetzen, die ich mir aus meiner Landekombination herausgeschnitten hatte. Sie gaben eine hervorragende Wegmarkierung ab. Ihr sattes Schwarz kontrastierte eindrucksvoll mit dem weißen Gestein des Ganges. Droben die Leitungen und das AMÖBEN-Rohr hatten sich ebenfalls verzweigt. Ich hatte das jedesmal mit abgedeckter Lampe überprüft. Als ich mich nun abermals nach rechts hielt – ich hatte das Gefühl, in dieser Richtung der Stadt über mir näher zu bleiben –, da stand ich nach wenigen hundert Metern vor einer neuen Entscheidung.
Der Gang endete an einem Transportschacht. Doch was für einer. Er war anders als die im Haus. Er war auch anders als jener im Landeturm auf Tantalus.
Ein grelles, kalkweißes Licht brach aus ihm hervor, das wie mit Lanzenspitzen gegen die Tunneldecke stach. Es dauerte eine Weile, ehe ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Dann schaute ich hinunter. Drinnen im Schacht war das Licht noch greller. Es wob dort hin und her, wallte und wallte, erfüllte den gesamten Raum gleichsam mit einem Gespinst aus Licht, und das Erschreckendste: Ein Ende des Schachtes war überhaupt nicht auszumachen. Es schien, als reiche er direkt hinunter ins Zentrum des Planeten.
Mir blieb wiederum keine Wahl. Wie oben im Haus probierte ich auch hier zunächst, ob die Anlage in Betrieb war. Dann griff ich mein gesamtes Gepäck und vertraute mich ihr an auf Gedeih und Verderb.
Hinunter! dachte ich, und das Bild, das ich mir diesmal vorstellte, war grimmig nur auf ein Ziel gerichtet: die Tantaliden selbst! Ich wollte nun zu ihnen, endgültig! Ich mußte zu ihnen! Und ich hätte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diesmal mein Ziel zu erreichen.
Ich weiß nicht, ob es noch einen anderen Weg gegeben hätte, zu ihnen zu gelangen, einen, der mir und ihnen vielleicht manches erspart hätte. Ich weiß es bis heute nicht. Doch wenn ich Fehler beging und mich schuldig machte – ich deutete es schon einmal an –, so kann ich auch die Tantaliden nicht von jeglicher Verantwortung freisprechen. Sie hatten gewußt von mir. Sie hatten im Grunde alles gewußt und dennoch nichts getan, um mir auch nur ein einziges Mal eine Entscheidung abzunehmen oder zu erleichtern. Und wenn ich an dieser Stelle nun ohnehin schon vorgreifen muß, so will ich auch dies eine noch gleich sagen: Heute, während ich diesen Bericht niederspreche, weiß ich selbstverständlich mehr als damals. Ich weiß vor allem, daß ich in jenem Augenblick dort am Schacht eine letzte Schwelle überschritt und ins Unwiderrufliche hineingeriet, mit allen seinen Konsequenzen. Und ich bereue es dennoch nicht. Und ich würde es immer wieder so machen. Ich war gezwungen dazu, um Mensch bleiben zu können. Ich spreche auf einen jener wundersamen Speicherkristalle der OMGAREN, der LAUTLOSEN GOLDENEN, deren Heimat der dritte, der äußere Planet ist, den sie Karion nennen. Dem mittleren, der seine Aufgaben längst erfüllt hat, haben sie den Namen Fortus gegeben, und ich befand mich eben auf Piros. Und natürlich wußte ich von alledem damals überhaupt noch nichts, vor allem nichts von ihrer Existenz, während sie ihrerseits längst jeden meiner Schritte registrierten, wie sie auch das Tun und Lassen der Tantaliden vermerkten, ihrer ehemaligen Vollender und Wissensbringer. Und wenn es nun heute weder mir noch einem meiner Gefährten vergönnt sein soll, für immer heimzukehren, und sei es auch nur für die ewige Ruhe im Schoße der guten, alten Erde, so wird doch dieser Kristall in die Hände der Menschheit gelangen, wird den schwarz-violett glühenden Kanal der Raumlosigkeit befahren und Kunde bringen von unserem Schicksal – angefangen bei der ALGOL und Tantalus und aufgehört bei mir. Und nicht um ein Vermächtnis geht es mir dabei, wohl aber um Rechenschaftslegung und Mahnung. Ich weiß nicht, wie die Menschheit aussieht, Jahrmillionen nach mir, aber ich weiß, daß sie noch existiert, und nicht nur das. Zwar hat sie noch nicht den Wissensstand der LAUTLOSEN GOLDENEN erlangt,
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