Andromeda
aber sie hat sich zum Herren des Raumes gemacht, soweit ihr Arm reicht. Das Glück und die Hoffnung, auch die Unzulänglichkeit und Schwäche trotz alledem, die für mich mit dem Wort MENSCHHEIT verbunden sind, finden sich sicherlich verwirklicht in einer vollendeteren und weiser gewordenen Welt. Und sie wird es ablehnen – ebenso wie ich es tun mußte –, eine Anschauung anzuerkennen, die den Begriff ZUKUNFT aus ihrem Wörterbuch gestrichen hat. Wenn ich damals über jenen Schacht geradewegs hineinglitt in eine Auseinandersetzung – ohne es zu ahnen –, die zum Schluß in einem regelrechten Kampf, ja einer Schlacht gipfeln sollte und die endlich von dritter Hand auf ebenso bestürzende wie unerwartete Weise abgebrochen wurde, so geschah es eben nicht zuletzt deshalb, weil ich bis auf den heutigen Tag eine Haltung nicht zu verstehen und nicht zu akzeptieren vermag, die letzten Endes nichts anderes als Selbstaufgabe war. Und ebensowenig vermag ich das nur rein mechanischer Folgerichtigkeit unterworfene, göttergleiche Schöpfertum der LAUTLOSEN GOLDENEN zu akzeptieret. Ein Schöpfertum, welches das Licht um des Lichtes willen fordert und das Leben als den Kernpunkt allen Seins vergessen hat. Einmal also das Leben an sich, ohnmächtig und verloren, weil nicht mehr bereit zu Erweiterung und Erkenntnis, und zum anderen eine Schöpfung an sich, eine Schöpfung ohne Leben, und aus diesem Grunde ebenfalls ohne wahre Zukunft. Beides also unmenschlich für mich und sinnlos.
Doch ich greife vor und gebe einer Verzweiflung Raum, die eigentlich an das Ende meines Berichtes gehört und dort sicherlich nicht einmal sosehr als Verzweiflung an sich verstanden sein will, sondern eher als ein Sichfügen in das Unvermeidliche angesichts eines ganzen Universums voller strahlender Zukunftsträchtigkeit und Beseeltheit.
Zurück also zu jenem Augenblick, in dem meine entscheidende Fahrt begann. Im ersten Moment glaubte ich, ich würde wie ein Stein in die Tiefe stürzen – so schnell glitt das Feld nach unten. Im ersten Schreck stampfte ich auf, fand jedoch eine feste, sichere Fläche unter dem Fuß, war aber dennoch keineswegs beruhigt über das Tempo meines Abstiegs. Es wurde ein Hinuntergleiten ohne Ende.
Ich zog mich in die Mitte des Feldes zurück, und das weiße Licht, das direkt aus den Schachtwänden hervorzubrechen schien, schmerzte schon bald in den Augen. Dennoch wagte ich es nicht, die Hände schützend davorzulegen oder auch nur die Lider zu schließen. Ich konnte es mir einfach nicht leisten. Ich mußte sehen, was geschah, und ich durfte auch die Orientierung nicht verlieren.
Ich glaube, es ging wohl einen halben Tag lang abwärts, und obwohl ich diese Reise in der Folge noch des öfteren machen sollte, kam sie mir niemals kürzer vor.
Da hockte ich nun, und während der ersten Stunde vermochte ich trotz aller Bemühungen überhaupt nichts zu beobachten. Lediglich dieses grelle, schneidende Licht war da. Dann erkannte ich, daß ich an einzelnen Etagen vorüberglitt. Sie waren in sehr großen Abständen übereinander angeordnet, und bei der Schnelligkeit der Fahrt vermochte ich zunächst kaum etwas zu erkennen. Später stellte ich mich bewußter auf die Geschwindigkeit ein, doch was ich nun aufzunehmen vermochte, verlohnte kaum der Mühe. Völlig dunkle Öffnungen in der Schachtwand wechselten mit nur düster erhellten. Dort erhaschte ich hin und wieder einen Ausblick in großräumige Hallen, manche anscheinend leer und verlassen, andere angefüllt mit mir unverständlichen Apparaturen und Rohrschlangen. Etliches erinnerte an das, was ich in der oberen, kleineren Halle im Tantaliden-Bergwerk auf Tantalus gesehen hatte. Doch kein Lebewesen zeigte sich – niemand.
Und immer noch ging es hinunter. Eine ganze Zone vollständig finsterer Säle durchquerte ich, und danach wiederum Räume im Dämmerlicht. Den Versuch, die Etagen zu zählen, hatte ich längst aufgegeben. Es ging einfach zu rasch, und ich war ziemlich sicher, mich schon von Anfang an verzählt zu haben. Aber zweihundert bis zweihundertfünfzig Geschosse waren es sicherlich.
Ich wurde müde, ich mußte essen und trinken, und nach einiger Zeit verspürte ich auch, daß die Temperatur zunahm. Es wurde zum Schluß so warm, daß ich mich zu fragen begann, wohin das noch führen sollte.
Dann – nach einer halben Ewigkeit – kündigte sich das Ende des Abstiegs an. Das Gefühl, frei durch den Schacht zu stürzen, verschwand, und die Bremsverzögerung machte
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