Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
ihn jederzeit an sich reißen konnte, würde Avakas Alarm schlagen. Bald darauf schlief auch er ein.
Es waren bereits vier Stunden des neuen Morgens vergangen und Avakas hockte immer noch auf der Felsspitze und blickte wachsam über beide Seiten des Tals hinweg, über dem der Mond so hell schien, dass der Schnee auf den Hängen leuchtete. Die scharfen Schatten der Felsen zeichneten sich lang und zackig auf dem unebenen Boden ab. Nichts war zu hören außer dem Wind, der hin und wieder durch das Tal heulte.
So verging einige Zeit, bis Avakas plötzlich ein leises Tapsen ausmachen konnte, irgendwo zu seiner Rechten hinter einigen Felsen. Aufmerksam suchten seine Augen die Gegend ab, als er plötzlich einen Schatten sah, der sich an der Felswand gegenüber abzeichnete. Dann verschwand der Schatten wieder und ebenso das Tapsen. Der Rabe rührte sich nicht und ebenso vermied er es Alarm zu schlagen. Er blieb weiterhin wie versteinert auf dem Vorsprung hocken und starrte unentwegt auf die Felsengruppe vor sich. Da hörte er wieder das Tapsen und plötzlich traten vier kleine Gestalten hinter den Felsen hervor, die nun langsam auf den Wagen zu schlichen. Zuerst sahen die Augen des Raben nur die schwarzen Umrisse der Gestalten, doch als sie ins Mondlicht traten, konnte er sie deutlich erkennen: Sie waren kaum größer als das Talanimädchen und aufgrund ihrer grauen Kutten – die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen – wirkten sie wie kleine Wichtelmänner, fast kindlich in ihrer Scheu. Doch schon einen Moment später veränderte sich ihr erster Eindruck. Denn plötzlich leuchteten vom Ersten, der offensichtlich der Anführer der Gruppe war, bedrohlich die Augen auf. Nicht vom Schein des Mondlichts, sondern durch ein kaltes blaues Leuchten. Nun begannen die kleinen Wesen leise miteinander zu tuscheln und das in einer Sprache, die selbst Avakas nicht verstand. Grollend und knurrend, fast wie Tiere berieten sich die Vier, wobei einer von ihnen hin und wieder direkt auf den Wagen zeigte.
Und nun konnte Avakas auch deutlich ihre Münder sehen, die ebenso unfreundlich wirkten wie ihre Augen und ihre Sprache. Graue Zähne sah er, und es waren viele Zähne. Scharf und spitz waren sie, wie graue Dornen. Bis jetzt hatten sie den Raben nicht bemerkt, auch nicht, als einer von ihnen auf den Mond deutete und sich anschließend an seiner Kutte zupfte, als wollte er die anderen darauf aufmerksam machen, dass sie zu auffällig in dem hellen Licht seien. Kurzum machten sie kehrt und schlichen wieder hinter die Felsen, und als sie nach einer Weile wieder zum Vorschein kamen, waren ihre Kutten über und über mit Staub und Schmutz bedeckt. Darauf bedacht nur kein Geräusch von sich zu geben, gingen sie jetzt langsam auf die Knie und robbten hintereinander weg dem Planwagen entgegen. Als sie ihn fast erreicht hatten, senkte Avakas den Kopf, darauf wartend, dass einer von ihnen versuchen würde in den Wagen zu gelangen.
Als der Erste der Gruppe schließlich das vordere Rad erreicht hatte und sich gerade an diesem hochziehen wollte, schrie der Rabe einen so lauten und grellen Schrei aus, dass die kleinen Kerle erschrocken zusammenfuhren und sich verdattert nach allen Seiten umsahen.
Auch Nevur schreckte hoch und beim Anblick der Wichte begann er laut so wiehern, das Jesta schreiend erwachte und sogleich nach seinem Zweihänder tastete.
Leeni hatte ihrerseits schon längst die Dolche in den Händen und wäre fast über des Zauberers Stab gestolpert, der diesen nun an sich riss und von der Bank aufsprang.
Sekunden später standen sie den vier Geschöpfen gegenüber. Hätte Jesta nicht genau gewusst, dass sie sich auf Brahn befanden und nicht auf Talint, er hätte geglaubt die vier Woggels würden vor ihm stehen, verkleidet in alten Kutten, um ihnen einen riesigen Schrecken einzujagen. Doch noch ehe er den Zauberer fragen konnte was das für Wesen waren, tat sich etwas zwischen den Nebelräubern. Den ersten Schock über den Schrei des Raben schienen sie verdaut zu haben, und so verfinsterten sich ihre Blicke wieder und ihre kleinen Handschuhe glitten rasch unter ihre Kutten. Als ihre Hände wieder zum Vorschein kamen, umklammerte jeder von ihnen einen glänzenden Gegenstand, der im hellen Mondlicht bedrohlich aufblitzte. Kleine Dolche waren es, doch in ihren Händen wirkten sie wie lange Schwerter, mit denen sie jetzt auf die drei Reisenden zustürmten.
Geistesgegenwärtig schlug Candol mit seinem Stab dem Ersten die Füße weg, sodass
Weitere Kostenlose Bücher