Andular II (Die Erneuerung des Kreises) (German Edition)
hier solange auf mich. Ich werde sehen, ob Schwester Enovy euch etwas zu essen bringen kann. Sie wird euch Bescheid sagen, wenn der Zeitpunkt unserer Abreise gekommen ist“, antwortete Crydeol und eilte mit dem Zettel in der Hand in Richtung Tür.
Narlos Leuchtturm
Der Morgen graute über dem Küstendorf Kumai, als sich zwei kleine Boote dem Ort von Norden her näherten. Im sanften Rot der Morgensonne wirkte das Dorf wie ausgestorben, als wäre es vor langer Zeit verlassen worden, infolge irgendeines Krieges, dessen Spuren unübersehbar an den Gebäuden hafteten.
Doch weder war Kumai verlassen, noch hatte irgendein Krieg Schuld an dessen Zustand. Es lag ganz und allein an den Menschen, die dort lebten. Denn ihrer Lebensweise entsprach es nun einmal, dem Zustand ihrer Häuser nicht die Beachtung zu schenken, wie es die Einwohner in anderen Dörfern und Städten taten.
So waren die einzelnen Hütten und Häuser ohne jegliche Ordnung entlang der Küste erbaut, als wäre im Laufe der Zeit jedes neue Haus einfach dorthin gesetzt worden, wo es seinem Besitzer beliebte. Richtige Straßen und klare Abgrenzungen gab es nicht und so ließ sich nicht genau erkennen, wo das Grundstück des einen anfing, beziehungsweise, wo es endete. Nur die Pier im Norden stieß aus dem ganzen Durcheinander heraus. Eine Vielzahl kleinerer Fischerboote lag dort vor Anker, die im Vergleich zu den heruntergekommenen Häusern geradezu prächtig wirkten. Aus dunklem Holz waren sie erbaut, mit silbernen Verzierungen an den Seiten und Segeln, die aus so feinem Stoff gewoben waren, dass man den Eindruck haben mochte, sie bestünden aus trüben, silbrigen Glas.
Die beiden Boote aus der Ferne hatten die Pier nun erreicht, und ihre sechs Insassen befestigten sie an einer freien Stelle zwischen zweien der Fischerboote.
„Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Jesta und half Candol aus dem Boot.
„Wir werden Narlos Haus aufsuchen“, antwortete der Zauberer und ließ seinen Blick über die Gebäude schweifen.
„Wer ist Narlo?“
„Narlo ist ein alter Bekannter von mir. Ihm gehören die Schimmerblütenfelder, die sich bis weit hinter Kumai erstrecken.“
„Schimmerblüten?“, fragte Jesta, da er nicht wusste, was das war.
„Du wirst es sehen, wenn es soweit ist, doch jetzt lasst uns weitergehen. Wie es scheint, ist Renyan trotz des vermuteten Vorsprungs der Eiswind noch nicht hier eingetroffen.“
„Hier treffen wir uns mit Renyan?“, fragte Knubber und klappte sich die Augenklappe nach oben, als würde sich sein Eindruck des Dorfes dadurch schlagartig ändern. „Da ist es ja im Molgebirge gemütlicher!“
„Wenn du magst“, erwiderte der Zauberer scharf, „kannst du gerne wieder in einem der Boote Platz nehmen! Und wenn ich es mir genauer überlege, wird das auch besser sein! Ihr vier wartet bitte bei den Booten auf Renyan! Sobald ihr die Eiswind seht, setzt du mich bitte umgehend per Gedankenübertragung davon in Kenntnis, Knubber!“
Jesta lachte sich ins Fäustchen. Endlich einmal hatte der Zauberer den vier Wichten Einhalt geboten und so winkte er den Woggels zum Abschied hämisch zu, die sich nun niedergeschlagen auf die Pier hockten, während die anderen ihren Weg fortsetzten.
„Warum ist dieser Ort so verlassen, Candol“, fragte Jesta und betrachtete ein kleines Windrad, das an einem Pfahl befestigt war, der einige Meter vor ihnen aus der Erde ragte. Außer dem leisen Flattern des Rades war um sie herum nichts zu hören und je weiter sie sich zwischen den Häusern und Hütten voran bewegten, desto lebloser wirkte dieser Ort.
„Die Einwohner Kumais sind allseits bekannte Langschläfer, Jesta“, antwortete Candol und steuerte geradewegs auf ein besonders heruntergekommenes Haus zu, hinter dem ein hüfthoher Zaun ein weitläufiges Feld umzäunte. „Meistens stehen sie erst dann auf, wenn sich die Sonne bereits hoch oben am Himmel befindet. Wir können froh sein, dass wir nicht zur Mittagszeit hier eingetroffen sind, denn dann könnten wir uns nicht mehr so mühelos durch diesen Ort bewegen.“
„Aber leben die Einwohner Kumais nicht von ihrem Fischfang? Wie soll man Fische fangen, wenn man den halben Tag verschläft?“
„Die Fischer aus Kumai sind seit jeher nur darauf aus, die besonders schmackhaften, leider aber auch sehr nachtaktiven Blubberbacken zu fangen. Oder Mondflossen, wie sie von den Menschen aus Panjan genannt werden. Hinzu kommt, dass die andere Hälfte der Einwohner auf den Schimmerblütenfeldern
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