Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
glimmte. „Ich finde, man sollte einem Stein nicht solche Verantwortung überlassen. Was, wenn er sich mal irrt?“
„Der Stein der Bestimmung hat sich noch nie geirrt. Nicht in all den Jahren, in denen er sich in unserem Dorf befand. All jene, die der Stein ausgewählt hat, waren mutige Krieger und ehrliche Menschen, was nicht bedeuten soll, dass diese Tugenden nicht auch auf Tenyon zugetroffen hätten.“ Renyan starrte auf die Spitze des Pfeils, mit der Cale die Glut des erloschenen Feuers zu einem kleinen Haufen zusammengeschoben hatte. „Wenn ich jedoch sehe, was aus meinem Bruder geworden ist, bin ich froh, dass der Stein nicht ihn ausgewählt hat.“
„Und trotzdem hat er jetzt den Bogen, der sich eigentlich in deinem Besitz befinden sollte.“
„So ist es. Und deswegen sollten wir uns auf den Weg machen. Es wird Zeit das Noiril wieder dem Bruder in die Hände fällt, der für ihn bestimmt wurde.“
So machten sie sich auf den Weg nach Norden, immer weiter durch das Schattengebirge, stundenlang, bis ihre Füße unter dem schroffen Gestein so sehr schmerzten, dass sie ihr Lager unter einem flachen Felsvorsprung errichteten, der wie ein steinernes Dach über ihre Köpfe hinweg ragte.
Innerhalb des Walls, soweit das Auge reichte, leuchtete das Licht nun in einem viel dunkleren Ton, woraus Renyan schloss, dass auf der anderen Seite der Barriere bereits der Abend angebrochen sein musste.
Als sie nach einiger Zeit ihre Schlafplätze errichtet hatten, zog Cale eilig seine Kette aus, um sich über den Verbleib von Ziron und Jindo zu vergewissern. Er war erleichtert, dass der Angriff auf Kasgaran geglückt war und der Stützpunkt sich jetzt in ihrer Gewalt befand. Nun, zwei Tage später, waren die Krankenquartiere nicht einmal mehr zur Hälfte belegt und so hatte sein Großvater endlich Zeit ein wenig zu verschnaufen. Nachdem Cale mit den Bildern zufrieden war, die ihm das Runenauge gezeigt hatte, hing er sich die Kette wieder um den Hals und legte sich schlafen.
Doch auch Renyan war erschöpft. Seine Augen brannten vor Müdigkeit und die schlechte Luft Namagants verschlimmerte diesen Zustand nur noch mehr. Aber er wollte sich nicht schlafen legen, noch nicht. Schon seit einigen Stunden hatte er das Gefühl, dass sie von irgendetwas beobachtet wurden. Ab und an hatte er Geräusche von oberhalb der Felsen gehört, Steine, die die Hänge hinunter prasselten, wie von schleichenden Füßen losgetreten. Da er sich nicht zu weit von ihrem Lagerplatz entfernen wollte, erklomm er nur den Hang oberhalb des Felsvorsprungs, um dort einen besseren Überblick zu erhalten. Es war still, abgesehen von dem schwachen Summen, das vom Schattenwall ausging und sie begleitete seit dem sie Snirnas Höhle verlassen hatten.
Renyan hockte sich hin und blickte nach Norden. Dort irgendwo stand der Turm Namagur, dort war sein Bruder und auch Noiril, die Waffe die alles verändert hatte. Der Bogen hatte Vaskania seinen König genommen, ihn und Crydeol entzweit, und auch Tenyon in Versuchung geführt und das wahrscheinlich schon viel früher als er selbst geahnt hatte. Renyan wurde schwindlig, als er über all das nachdachte, was Noirils Existenz in der Vergangenheit angerichtet hatte. Gleichzeitig, und das schien ihm umso absurder, hatten sie gerade aufgrund dieser Ereignisse von Salagor und seinen Plänen erfahren. Ohne die Vergangenheit, wie sie sich ereignet hatte, würde sie wohl eine viel schrecklichere Zukunft erwarten. Renyan legte sein Gesicht in seine Hände und schüttelte sich. Die Gedanken sausten in seinem Kopf herum, überschlugen sich und wirbelten wie wild durcheinander, als wollten sie seinen Geist sprengen.
War dies denn das Schicksal ihrer Welt? War es seines? Gab es so etwas wie Schicksal überhaupt, wenn doch die Heilige Stätte jenseits der Gajoraberge verlassen war? Was würde sich ändern, wenn Inoel ihrer Bestimmung nachkäme, und was nicht?
Er stand auf und atmete tief durch. Die trockene Luft schien jegliche Feuchtigkeit in seinem Mund aufzusaugen, sodass er wieder diesen schrecklichen Durst verspürte. Doch noch mehr Laresius wollte er allein schon wegen der belebenden Wirkung des Trankes nicht trinken, zumal sie nur noch eine volle Flasche im Gepäck hatten.
So legte er sich zu Cale, lauschte noch einmal in die grüne Dunkelheit hinein und schloss die Augen.
Als er Stunden später erwachte, schlaftrunken und noch durstiger als zuvor, überkam ihn sogleich wieder das Gefühl, aus der Ferne beobachtet
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