Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
festen Stoff seiner braunen Hose und weitete sich um den Pfeil zu einem großen Fleck.
„Du hast nie erkannt, was Noirils wahre Bedeutung ist, Renyan! Für dich war der Bogen immer nur eine Waffe, aber in Wirklichkeit ist er ein Werkzeug!“ Tenyon griff langsam nach einem weiteren Pfeil in seinem Köcher und legte ihn an. „Ein Werkzeug das Macht bedeutet und unser Dorf endgültig aus seinem belanglosen und tristen Dasein hätte reißen sollen. Weder Vater noch Du habt Noirils wahre Bedeutung jemals erkannt und nichts Besseres zu tun gehabt, als mit ihm in den Wäldern nach Wild zu jagen!“ Er spannte die Sehne und richtete die Pfeilspitze nun auf Renyans rechten Oberschenkel. „Ich hatte es satt in einer einfachen Hütte zu hausen, gleich neben dem dreckigen Vieh, das sich frei durch unser Dorf bewegte als wären es Haustiere. Und während wir wie einfache Bauern unserem Dasein fristeten, stolzierten die Menschen Vaskanias durch ihre schimmernde Stadt, ja sogar durch Pan Hallas, immer mit diesem gewissen Ausdruck in ihren arroganten Gesichtern, als ob sie etwas Besseres wären.“ Er machte eine kurze Pause und schnaubte verächtlich. „Und du, mein Bruder, halfst ihnen noch in ihren Schlachten und brachtest ihnen den Ruhm ein, der allein dir und Noiril gebührt hätte! Der Tag an dem der Stein der Bestimmung dich zu Noirils Träger auserwählt hat, war für mich der Tag meiner größten Niederlage. Selbst Vater schien tief in seinem Herzen an mich geglaubt zu haben, dass Noiril an mich übergehen sollte, doch der Stein leuchtete allein in deiner Hand. Also bat ich ihn am Abend jenes Tages den Stein ein weiteres Mal zu befragen, da er doch wusste, dass ich von uns beiden geeigneter war. Aber er erfüllte mir diesen Wunsch nicht, sondern wurde so zornig, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte. Da erkannte ich, dass er ebenso unwürdig war in Noirils Gegenwart zu leben wie du, und alle anderen aus unserem Dorf. Und so ergriff ich eines Tages die Gelegenheit und ging einen Handel mit den Garlan ein. Mit ihrer Hilfe wollte ich mir den Bogen aneignen, doch als sie in jener Nacht in das Dorf kamen, warst ausgerechnet du irgendwo in den Wäldern unterwegs. Dennoch gelang es mir, dir den Bogen eines Nachts zu entwenden, als du dich in Sicherheit glaubtest und dich unter freiem Himmel zur Ruhe gelegt hattest, nach irgendeinem deiner sinnlosen Ausflüge.“
Renyan spürte, wie ein weiterer Schwall von Zorn und Trauer in ihm hochstieg, als er erkannte, dass sein eigener Bruder für den Tod ihrer Eltern und allen anderen Dorfbewohnern verantwortlich war. Er wäre am liebsten aufgesprungen, um Tenyon zu erwürgen, doch der Schmerz in seinem Bein, und der Pfeil, der weiterhin auf ihn gerichtet war, hielten ihn davon ab.
Tenyons Augen loderten bedrohlich auf, als hätte er mit einem raschen Angriff seines Bruders gerechnet, doch schließlich senkte er den Bogen und entspannte den Pfeil in der Sehne. „Ich weiß nicht, wie du so schnell an diesen Ort hier gelangen konntest, du und der Junge, der dich begleitet hat, aber hier wird deine Reise enden.“
Renyan starrte mit gefasster Miene zu ihm hinauf. „Dann warst du es also, der uns auf unserem Weg hierher beobachtet hat?“
„Ja. Ich war mir sicher, dass du irgendwann darauf kommen würdest, dass ich noch am Leben bin und sich auch der singende Bogen in meinem Besitz befindet. Ich hingegen wusste, dass man dich für den Mord an Jaldor verantwortlich machen würde und so sah ich in dir keinerlei Gefahr. Bis Snirna mir vor einigen Tagen von zwei Menschen berichtete, denen es doch tatsächlich gelungen war, an ihr vorbeizukommen. Ein seltsamer Ausdruck des Triumphes legte sich nun auf sein Gesicht. „Ich suchte und fand euch schließlich und sah, wie ihr in dieses seltsame Kugelgebilde geschaut habt, das sich über dem Ring an deinem Finger gebildet hatte. Und als ich unseren alten Freund Crydeol für einen kurzen Moment in den Schleiern erkannte, begriff ich, was für ein wertvolles Artefakt sich dort in deinem Besitz befindet. Dieser Ring ermöglicht es dir, mit deinen Freunden jenseits des Schattenwalls in Kontakt zu treten! Aber da ich nicht wusste, wie man dieses Gebilde heraufbeschwört, wollte ich euch solange beobachten, bis ich es verstanden hatte.“ Er lachte höhnisch und deutete auf Renyans Hand. „Und plötzlich sehe ich dich hier nahe dem Turm, auf Knien und den Ring in deiner Hand. Vermutlich auf der Suche nach deinem jungen Begleiter, habe ich
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